■ Jacques Chirac will Frankreichs Präsident werden: Der Spaltpilz
Die „Verliermaschine“ läuft auf Hochtouren. „Verliermaschine“, so heißt in Frankreich die Wahlkampftaktik der Konservativen, die sich mit konkurrierenden Kandidaten aus dem eigenen Lager selbst lahmlegen. 1981 markierte ihren ersten großen Erfolg: Damals gingen der Liberal-Konservative Valéry Giscard d'Estaing und der Neogaullist Jacques Chirac gegeneinander ins Rennen um das Präsidentenamt – Sieger wurde der Sozialist François Mitterrand. Dabei ist es bis heute geblieben.
Seit dem Amtsantritt der konservativen Regierung im vergangenen Jahr stehen die Chancen für einen konservativen Nachfolger Mitterrands im Élysée-Palast so gut wie lange nicht mehr. Das zeigt vor allem die Popularität von Regierungschef Edouard Balladur – dessen Erfolge in den Niederungen der Tagespolitik mögen noch so gering sein, die Franzosen liegen ihm zu Füßen. Dafür spricht auch, daß die SozialistInnen seit ihren heftigen Wahlniederlagen kaum noch auf der politischen Bühne des Landes auftauchen.
Doch statt diesen Bonus zu nutzen, lassen die Partei des Regierungschefs, die neogaullistische RPR, und mit ihr die gesamte konservative Koalition zu, daß in ihrem Inneren ein offener Machtkampf ausbricht: Der Parteichef (Chirac) kämpft gegen seinen Protegé (Balladur). Das Regierungskabinett spaltet sich in Chirac-AnhängerInnen und Balladur-AnhängerInnen. Innerhalb der kleineren Parteien des Regierungsbündnisses zeigen sich Auflösungserscheinungen. Sechs Monate vor den Präsidentschaftswahlen geht fast nichts mehr.
Zwei Männer aus der RPR – Chirac und Balladur – wollen in den Élysée-Palast, der eine hat's gestern öffentlich angekündigt, der andere macht öffentlich keinen Hehl aus seiner Absicht. Ein dritter aus dem konservativen Lager, Valéry Giscard d'Estaing, kokettiert öffentlich mit seinen Ambitionen. Politische Differenzen zwischen Chirac und Balladur sind nur schwer erkennbar. Beide bezeichnen sich als Erben de Gaulles – und genau wie ihr großes Vorbild wollen beide vor allem an die Macht. Ihre RPR – sie ist so jung, so mitgliederschwach und so traditionslos wie die meisten französischen politischen Formationen – soll ihnen als Vehikel dienen. Ein konturenscharfes eigenes politisches Profil hat die nach allen Seiten ausufernde RPR nicht.
Bei Präsidentschaftswahlen in Frankreich feiert der Personenkult fröhliche Urständ. Mechanismen zur Auswahl gemeinsamer Kandidaten kennen die französischen Konservativen nicht, und um ihre stärksten und ehrgeizigsten Mitglieder vom Kampf gegeneinander abzuhalten, sind sie zu schwach. Möglicherweise wird ihnen das im nächsten Mai wieder zum Verhängnis. Dorothea Hahn, Paris
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