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Archiv-Artikel

JÜRGEN VOGT ÜBER NEBENSACHEN AUS BUENOS AIRESEIN NICHT ALLTÄGLICHER WARNHINWEIS DER ÖRTLICHEN POLIZEI Skorpione in Belgrano

In der Straße Juramento im Stadtteil Belgrano von Buenos Aires hängen neuerdings Warnhinweise in den Schaufenstern: „Vorsicht! Skorpione nisten sich in unserem Viertel ein!“ Der knappe Text warnt davor, barfuß zu laufen, und empfiehlt, vor dem Anziehen der Schuhe deren Innenleben zu überprüfen. Unterzeichnet ist der Aufruf vom Polizeirevier 51.

Die Zettel hängen in unmittelbarer Nähe des Chinesenviertel. Das „Barrio Chino“, wie es die Hauptstädter liebevoll nennen, ist nur der Straßenzug Arribeños den man unter einem großen chinesischen Torbogen betritt.

Auf dem Revier 51 herrscht Ruhe nach Vorschrift. „Das ist alles nur Prävention“, gibt der diensthabende Beamte Auskunft. Wer die Zettel aufgehängt hat, weiß er nicht. Beschwerden wegen Skorpionen habe es bisher nicht gegeben. „Nicht wahr, José?,“ ruft er nach hinten, wo der Kollege nickt. Auf dem benachbarten Revier 33 A gibt es die gleiche Auskunft: „Nicht wahr, Flor?,“ fragt die diensthabende Beamtin ihre nickende Kollegin. Auch die Stadtregierung hat bisher nichts unternommen. Die Skorpione sind nicht als Plage eingestuft, heißt es.

Die vier bis sieben Zentimeter großen Tierchen leben normalerweise im Norden Argentiniens. In den letzten Jahrzehnten sind sie jedoch immer weiter nach Süden gewandert. Daran schuld sind nicht die Chinesen, sondern der Klimawandel. Die langsame Erderwärmung erweitert den Lebensraum der Skorpione. Dass sie in Buenos Aires angekommen sind, ist belegt. Als sie die Teeküche der Bibliothek aufräumten, lag ein Skorpion im Spülbecken, erzählt Sandra. Die Bibliothekarin arbeitet im Stadtzentrum. „Tot, aber echt“, sagt sie. Seit einigen Jahren häufen sich die Erzählungen über Begegnungen mit Skorpionen. Zum Glück gab es bisher keine schlimmen Vorkommnisse.

Mensch und Skorpion können in Buenos Aires jahrelang zusammenleben, ohne sich zu begegnen, so der Experte Adolfo de Roodt von der staatlichen Gesundheitsbehörde Instituto Malbrán. Die hat eine gut bebilderte Webseite im Angebot (www.anlis.gov.ar/archivos/escorpionismo/Escorpionismo.pdf). Im Tunnelsystem der U-Bahn oder in Fahrstuhlschächten finden die Tiere ihre Nischen. Während sie sich auf dem Land überwiegend von Spinnen ernähren, fressen sie in der Stadt Kakerlaken. Das dürfte die Furcht der Hauptstädter vor ihren neuen Mitbewohnern durchaus wieder etwas mildern.