JÜRGEN GOTTSCHLICH ZUR FREILASSUNG VON DOGAN AKHANLI IN DER TÜRKEI : Unberechenbare Justiz
Die Freilassung von Dogan Akhanli ist eine gute Nachricht. Wer die türkische Justiz kennt, konnte kaum davon ausgehen, dass der deutsch-türkische Schriftsteller gleich am ersten Verhandlungstag wieder auf freien Fuß gesetzt wird und das Land nach Belieben verlassen kann. Das Gericht hat damit praktisch anerkannt, dass die Vorwürfe des Raubs, Totschlags und der Verschwörung gegen den Staat durch Zeugenaussagen längst widerlegt wurden und die Verhaftung falsch war. Trotzdem saß Akhanli vier Monate in Untersuchungshaft.
Das zeigt, wie willkürlich Polizei und Justiz in der Türkei nach wie vor vorgehen. Akhanli wies zu Recht darauf hin, dass auch nach seiner Freilassung noch vierzig andere Journalisten und oder Schriftsteller in der Türkei inhaftiert sind, weil man ihnen die Unterstützung von Terrororganisationen wie der PKK oder andere an den Haaren herbeigezogene Dinge vorwirft. Freie Meinungsäußerung ist in der Türkei noch immer gefährlich, das Land ist in den letzten Jahren in internationalen Rankings sogar noch weiter nach unten gerutscht.
Hinzu dazu, dass der gesamte Justizapparat im Moment völlig unberechenbar ist. Die konservativ-islamische Regierung versucht die bislang nationalistisch-kemalistisch dominierte Justiz durch eigene Anhänger zu ersetzen. Die sind zwar weniger dem Gedanken verpflichtet, den Staat gegen alle und jeden zu schützen, dafür schützen sie nun Regierung und Religion.
Zur Zeit weiß man nie, auf welchen Richter man trifft oder ob ein Prozess für Auseinandersetzungen innerhalb des Apparats instrumentalisiert wird. Das Einzige, wovon man sicher ausgehen kann, ist, dass unabhängige Richter, die sich nur der Wahrheitsfindung im Sinne des Rechts verpflichtet fühlen, eher selten sind. Umso erstaunlicher, dass Dogan Akhanli wieder frei ist.