piwik no script img

Archiv-Artikel

JUNGE MENSCHEN SCHAUEN MICH MIT GROSSEN AUGEN AN. UND ICH ERZÄHLE EIN GROSSES GEHEIMNIS Der Elternabend

AMBROS WAIBEL

Kürzlich habe ich mit jüngeren Kollegen ein Feierabendbier getrunken. Und als es darum ging, ein zweites Feierabendbier zu bestellen, da hab ich nein gesagt, nein, ich kann nicht, habe ich abgewunken, ich muss noch zum Elternabend. Ah, haben die jüngeren Kollegen gesagt, Elternabend, das ist ja interessant: Was macht man da eigentlich, auf einem Elternabend, das haben wir uns immer schon gefragt?

Und das hat mich so gerührt, dieses plötzliche Interesse der jüngeren Generation an etwas für mich so Alltäglichem wie einem Elternabend, dass ich gesagt habe, gut, ich erkläre euch das. Und dann haben wir uns alle ein zweites Feierabendbier geholt, weil, ich hatte schon noch ein wenig Zeit vor Beginn des Elternabends.

Der Elternabend, begann ich nach einem großen Schluck aus meinem zweiten Feierabendbier, ist vor allem für die Lehrer wichtig. Die Lehrer haben den ganzen Tag, also die paar Stunden, die sie eben arbeiten, mit Kindern zu tun. Das ist einerseits, erklärte ich meinen jüngeren Kollegen, natürlich der schönste Job, den es gibt; andererseits, wenn ich auf mich schaue: Bei mir beginnen jetzt dann die Winterferien und zum Skiurlaub oder für Gomera habe ich eher kein Geld; deswegen blicke ich durchaus mit einer gewissen, sagen wir, Nervosität auf die kommenden sieben kalten, grauen Tage in der flachen Großstadt. Es ist nicht so, dass ich vor meinen Kindern Angst hätte, aber – ein Beispiel: Kürzlich habe ich in der Drogerie eine befreundete Mutter getroffen und ihr gegenüber diese gewisse verschämte Unruhe vor den bevorstehenden Freitagen angedeutet. Ah, hat sie sofort ausgerufen, ah ein Achtjähriger, der sich in den Kopf gesetzt hat, sich in den Ferien so richtig zu langweilen, das ist die Hölle.

Ich habe einen Schluck Bier getrunken und an den Gesichtern meiner jüngeren Kollegen gemerkt, dass ich jetzt zum Thema zurückkommen muss, dem Elternabend, gewiss. Der Elternabend ist eine Art Produktpräsentation für die Lehrer. Die Eltern sitzen auf Kinderstühlen im Kreis. Es gibt viel zu besprechen, und meistens entscheidet sich gleich zu Beginn eines neuen Schuljahres, wo die Reise hingeht. Wenn der Lehrer oder die Lehrerin es nicht sofort unterbindet, wenn einzelne Eltern ansetzen, die Probleme ihrer Pia oder ihres Peters zu beschreiben, dann weiß man, dass es am Schluss, wenn die ganzen organisatorischen Fragen zu klären sind und alle schon hundemüde sind, dass es dann verdammt anstrengend wird.

DIE FÜNFTAGEVORSCHAU | KOLUMNE@TAZ.DE

Freitag Michael Brake Nullen und Einsen Montag Anja Maier Zumutung Dienstag Jacinta Nandi Die gute Ausländerin Mittwoch Matthias Lohre Konservativ Donnerstag Margarete Stokowksi Luft und Liebe

Wobei das Problem – ja, okay, ich nehm auch noch ein kleines Bier, ein kleines! –, das Problem darin besteht, dass nicht alle Eltern gleich müde sind. Manche wie ich haben schon den ganzen Tag mit erwachsenen Menschen geredet und wollen eher ihre Ruhe haben. Für andere, zum Beispiel solche, die gerade mit einem jüngeren Kind in Elternzeit sind, ist der Elternabend aber der kommunikative Höhepunkt des Tages. Dazu, habe ich gesagt, gäbe es noch viel zu sagen, aber ich muss jetzt los. Noch Fragen, habe ich gefragt in die Runde? Nö, haben die Kollegen gesagt, wir wissen jetzt, wie das ist: wie eine Redaktionskonferenz.