JUGENDFREIE SCHLEPPERFILME: Schönheit der Arbeit
■ Heute: Der Arbeiter-Animationsfilm »Blaupunkt oder Grooven in der Gruft«
Beim diesjährigen Festival der Schlepperfilme wurde der Beitrag der Firma Blaupunkt preisgekrönt. Die Idee des Films geht auf einen Schulaufsatz der achtjährigen Nichte des Regisseurs, Kathy aus Fort Smith, zurück, den wir der Leserin nicht vorenthalten wollen:
Wenn ich meinen Daddy sehe, wünsche ich mir ganz häufig, daß ich schon ein paar Jahre älter wäre, denn dann könnte ich ihn heiraten. Er sieht wirklich atemberaubend gut aus. Er ist auch ganz schön stark, er kann Mum und mich gleichzeitig hochheben. Auf den ersten Blick wirkt er vielleicht ein bißchen cool, aber sobald man mit ihm spricht, weiß man, daß er ein gutes Herz hat. Mum nennt ihn immer ganz liebevoll »Knuddelmacho«. Wir sind schon eine sehr glückliche Familie. Aber das war nicht immer so. Früher kam mein Daddy ganz häufig traurig von der Arbeit nach Hause. Er mochte seine Arbeit nicht. Daddy ist Bergarbeiter, das ist ein ganz schön schwieriger und dreckiger Beruf, man muß nämlich immer unter Tage arbeiten. Mum sagt immer, Daddy ist zu schade für diese Arbeit, er wäre ein so guter Arzt geworden, aber dann wäre ich dazwischen gekommen, da hat Daddy anfangen müssen zu arbeiten, damit ich etwas zu Essen bekomme. Doch jetzt ist alles ganz anders, und Daddy ist ziemlich stolz auf sein rußverschmiertes Gesicht. Er mag es gar nicht mehr nach der Arbeit waschen. Das ist manchmal eine ganz schöne Sauerei!
Daddy versucht mir immer wieder zu erklären, warum er jetzt so gerne arbeitet. Ich verstehe das noch nicht so ganz. Es fing damit an, daß sein Boß sich der Kampagne »Schönheit der Arbeit« anschloß. Man sollte den Arbeitsplatz schöner gestalten, alles sollte gesäubert werden. Auch im Fernsehen und in der Schule wurde viel über diese Kampagne geredet. Überall wurden Flugblätter verteilt, wo folgendes draufstand: »Arbeit ist keine Fron. Arbeit ist der Sinn des Lebens. Darum schafft schöne und würdige Arbeitsstätten, in denen jeder mit Freude arbeiten kann. Packt alle an, Betriebsführer und Gefolgschaft! Arbeiter der Stirn und Arbeiter der Faust! Die Arbeitsstätte soll euch zur zweiten Heimat werden.« Aber keiner wußte, wie man Daddys Arbeitsplatz schön und sauber machen sollte, weil unter der Erde ist eben immer alles schmutzig. Die Blumen, die ich Daddy mitgegeben habe, sind schon nach einer Stunde verwelkt gewesen. Doch Daddy hatte wie immer eine gute Idee. Mum hat ihm nämlich zu Weihnachten eine ganz tolle Blaupunkt-Anlage für sein Sportcabrio geschenkt. Diese Anlage drehte er volle Pulle auf, und die Musik war bis unter die Erde zu hören. Das freute seine Kollegen, sie fingen direkt an, im Takt mitzuarbeiten. Die Arbeit ging plötzlich wie von selbst. Das fand sein Boß prima, Menschen, denen die Arbeit Freude macht. Prompt ließ er eine Musikanlage in den Pütt einbauen. Und über dem Eingang steht jetzt ein Schild: »Frohe Arbeit hat viele Lieder.«
Blaupunkt oder Grooven in der Gruft (USA 1991) ist zur Zeit in einigen ausgewählten Berliner Lichtspielhäusern zu besichtigen.
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