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Archiv-Artikel

JÖRN KABISCH ANGEZAPFT Die leichten Hufe der sauren Hefe

Schon der Schaum ist faszinierend. Man versteht, wie der Begriff „Brause“ entstand. Gießt man dieses Bier ein, entsteht eine Gischt wie auf dem Scheitel einer ans Land rollenden Welle, die sich sogleich in nichts auflöst: Die Krone sinkt wieder so schnell in sich zusammen, als ob die feinen Luftblasen vom Abfluss abgesaugt würden. Ebenso schnell ist man versucht, dieses Bier zu trinken.

Und das kann man auch bei dem geringen Alkoholgehalt. Ein ausgeprägtes Molkenaroma legt sich um die Zunge, sauer, leicht zitronig mit einer herben Note. Schuld ist die Milchsäurefermentation. Das trübe Bier moussiert angenehm kräftig und bleibt am Ende ehrlich: Die Brettanomyces-Hefe hinterlässt einen feinen Hufabdruck. Hat ein Bier zu viel davon, kann es allerdings ausgesprochen unappetitlich nach Pferdeschweiß schmecken.

Die „Berliner Weiße“ aus der Privatbrauerei Bogk ist das Produkt eines Bierarchäologen. Es war einst das berühmteste deutsche Sauerbier, Napoleon lobte die Weiße noch als „Champagner des Nordens“. Davon übrig geblieben ist ein industriell hergestelltes Substitut. Die traditionelle Herstellung, die zu DDR-Zeiten in Ostberlin noch gang und gäbe war, wurde bald nach der Wende eingestellt. Die Weiße wurde zu einem Opfer des Bier-Mix-Trends, wo auf den sauren Grundstoff weniger Wert gelegt wird als auf die Zusätze, von Maracuja bis Waldmeister.

Um das Berliner Original wiederzubeleben, hat Andreas Bogk deshalb Hefestämme, die er in Sammlerflaschen fand, rekultiviert. Und füllt das junge Bier mit den Mikroorganismen ab, worauf eine echte Flaschengärung einsetzt. Ganz so schnell zischen muss man die Weiße übrigens nicht. Wegen der Vergärung ist sie jahrelang haltbar.

Berliner Weiße, Privatbrauerei Bogk, Alkohol 2 Volumenprozent