JÖRN KABISCH ANGEZAPFT : Das federweiße Bier
Der Trend geht zum Naturtrüben. Das macht einen unverfälschten Eindruck, wirkt bio. Es ist noch nicht lange her, da war das für viele Biermacher tabu. Trübes Bier galt als unreif, die Hefe hatte sich noch nicht abgesetzt. Damit es klar wurde, musste man das Bier lange in den Keller legen. Einfacher wurde das erst mit dem Aufkommen des Bierfilters nach 1878. Die Kunden waren nach Jahrhunderten, die sie mit undurchsichtigen Brühen verbracht hatten, empfänglich für das reine und saubere Bier.
Nun geht die Entwicklung wieder in die andere Richtung, eine Pionierrolle hat dabei das Hefeweizen. Wegen des höheren Anteils an Resthefe ist das Unfiltrierte reicher an Vitaminen und Eiweiß, und natürlich machen sich die Trübstoffe auch geschmacklich bemerkbar: Die sauren Hefepartikel sorgen in der Kombination mit der Malzsüße für größere Vollmundigkeit.
Das Zwickl aus der Hirschbrauerei im schwäbischen Wurmlingen ist ein typisches dieser neuen trüben Biere. Man findet sie oft unter der Bezeichnung Zwickl. Bevor sie zur Reifung in den Keller kamen, „zwickten“ die Brauer früher die Holzfässer und bohrten ein kleines Loch, aus dem das Jungbier hervorsprudelte. Daher der Name. Es war die erste Geschmacksprobe. Man könnte Zwickl deshalb mit Federweißem vergleichen. Das Hirschzwickl duftet malzig und honigsüß. Die trübe Gelbfärbung und der üppige Schaum zeigen sofort: ein junges Wildes. Dennoch fehlen im Geschmack Sturm und Drang. Der Antrunk wirkt mild, fruchtige Hopfennoten sind nur zu ahnen, lassen das Bier aber sehr frisch wirken. Im Abgang setzt sich die Restsüße des Malzes durch. Das macht es vollmundig und süffig, doch der Verdacht bleibt, Lagerung könnte dem Bier noch Charakter verpassen. Aber man sollte bescheiden bleiben. Von einem Jungbier lässt sich nicht viel mehr verlangen.
■ Hirschzwickl naturtrüb, Hirschbrauerei Honer, Wurmlingen, Alkohol 5,2 % Vol.