JENNI ZYLKA über PEST & CHOLERA : Ein EiEiEi auf mein Waldi-Brötchen
Nur Ex-Katholikinnen wie ich wissen Ostern wirklich zu schätzen: Es ist die Zeit der merkwürdigsten Erscheinungen
Dass Ostern dicht vor der Tür steht, merkt man an den riesigen und überhaupt nicht niedlichen, latzhosentragenden Hasen, die Friseure, Kitas und Prothesengeschäfte in die Schaufenster stellen. Außerdem an den Fernsehköchen (vor allem den öffentlich-rechtlichen), die anfangen, Hefezöpfe zu flechten.
Und natürlich am Osterkalender von Plus, einer Art Adventskalender mit wenigen und dafür größeren Türchen: ein süßes Schokostück am Tag, als Jesus zum letzten Abendmahle rief, eines am Tag, als er ans Kreuz genagelt wurde, eines am Tag danach, eines am Tag, als er auferstand, und eines an dem hinten drangehängten Tag, an dem die Jünger noch nicht so richtig wussten, was Sache ist, und den man heutzutage durch Im-Bett- Bleiben und Auskatern begeht. Man würde meinen, der Tag eine Woche später, an dem Jesus den ungläubigen Thomas in seine blutenden Wunden greifen ließ, wäre so einem Kalender auch noch ein Schokostückchen wert. Ist er aber nicht.
Schon gut. Das Thema sollte mit Mel Gibson eh durch sein. Aber stramme Ex-Katholikinnen wie ich vergessen eben leider nie, was ihnen mal eingeprügelt wurde. Trotzdem habe ich an Ostern als Feiermöglichkeit gar nicht so viel auszusetzen: Immerhin darf man da endlich mal wieder den legendären Yps-hartgekochte-Eier-Viereckigmacher benutzen und einen Strauß flauschige Kätzchen aufstellen.
Meine Liste der merkwürdigen Ostererscheinungen führen ohnehin ganz andere Sachen an: den Tattergreis im Vatikan zum Beispiel. Oder die ominösen Knickebein-Eier, die man beim Süßigkeiten-Verstecken am besten extra nicht wiederfindet, so ekelig schmecken sie.
Vor sieben Jahren hatte mal ein Bäcker aus Tennessee behauptet, seine Blätterteig-Brötchen seien vor Ostern plötzlich mit dem Konterfei von Mutter Teresa aus dem Ofen gekommen. Es gab sogar ein Beweisfoto, das oft neben ein Mutter-Teresa-Passbild gestellt wurde, um die Ähnlichkeit zu demonstrieren. Gruseligerweise sah das Mutter-Teresa-Brötchen wirklich ganz genau aus wie die echte Nonne, nur eben in knusprigem Braun.
Ich wollte die faszinierende Idee der gebackenen Prominenten-Fressen damals aufnehmen und habe mich eine Zeit lang im Kneten und Formen von Teiggesichtern versucht. Doch meine Brötchen sahen alle aus wie Waldemar Hartmann, ein einziges schaute mal Dirk Bach ähnlich, und der verkauft sich bestimmt schlechter als Mutter Teresa. Meine Neugier blieb trotzdem geweckt: Ob man in einem solchen Fall endlich mal von echten übersinnlichen Dingen sprechen kann? Denn das ist es, worauf ich bereits mein Lebtag warte: ein einziges, übersinnliches Erlebnis. Nicht mal einem verdammten Klopfgespenst bin ich bisher begegnet, und auch nach wildesten Drogenexperimenten hatte ich weder Marienerscheinungen, noch fingen Scrabblebuchstaben an, sich selbstständig in „Ja“ und „Nein“ zu legen.
Allerdings habe ich vor Jahrzehnten mal eine Fernsehdokumentation gesehen, in der ein Eisberg haargenau so aussah wie die Sphinx, samt Tatzen und abgebrochener Nase, und keiner konnte sich erklären, wie das zustande gekommen war. Schließlich gibt es wirklich nicht allzu viele Landart-Künstler, denen man monatelanges Schnitzen im ewigen Eis zutrauen würde, und dann auch noch, ohne danach Publicity dafür machen zu dürfen. Da die Klimaerwärmung die Eisberge momentan aber ratzfatz zum Schmelzen bringt und ich mich an den Begriffen „iceberg sphinx“ schon fast totgegoogelt habe, ohne auf irgendwelche ernst zu nehmenden Hinweise zu stoßen, sehe ich schwarz für meine einzige übersinnliche Erfahrung.
Vielleicht sollte man doch lieber daran glauben, dass zu Ostern ein kleiner Nutznager selbst gelegte Eier aus Schokolade versteckt, die er vorher mit einem raren Zaubertrank namens „Knickebein“ gefüllt hat. Ich habe neulich mal wieder versucht, bei meinem Getränkehändler eine Flasche Knickebein zu kaufen. Und bin dann doch mit Ei Ei Ei Verpoorten nach Hause gekommen.
Fragen zum Knickebein? kolumne@taz.de Morgen: Bettina Gaus über FERNSEHEN