JEDER NOCH SO WINDSCHIEFE STALL WIRD IN EIN COTTAGE UMGEWANDELT UND VERHÖKERT : Die Hamptons ohne die Clintons
VON OPHELIA ABELER
Was macht der New Yorker in der Sommerhitze, wenn in der Stadt kaum was los ist und die Zeitungen nicht viel mehr zu bieten haben als alte Sexskandale in Ungnade gefallener Politiker, die ihrerseits die „silly season“ nutzen, um ein Comeback als Bürgermeister zu versuchen?
Er verlegt seinen Lebensmittelpunkt, und zwar nach Long Island. Sollen sich Typen wie Eliot Spitzer (geschätzte 80.000 Dollar für Escortgirls) und Anthony Weiner (versehentlich getwitterte anzügliche Fotos) doch in der zwischen Asphalt und Beton angestauten Heißluft für Wählerstimmen abstrampeln – entschieden wird das sowieso alles erst im Herbst. Bis dahin hat Hillary Clinton (der vom National Enquirer eine Affäre mit Anthony Weiners Frau Huma Abedin angedichtet wird) vielleicht tatsächlich die Scheidung von Bill eingereicht. Die Gerüchte darüber sind jedenfalls in dem Maße laut geworden, wie die Gerüchte um die gemeinsame Haussuche der Clintons in den Hamptons verstummt sind. Von den 17 Millionen Dollar, die Bill Clinton im letzten Jahr mit Reden verdient hat, könnte er das auf 19,95 Millionen geschätzte Haus, das die Clintons die letzten beiden Sommer in Easthampton gemietet hatten, ja auch gar nicht bezahlen.
Dieses Jahr muss man also ohne die beiden auskommen und möglicherweise auch ohne Sean Combs’ (vormals Puff Daddy) sagenumwobene „White Party“. Die hatte er letztes Jahr schon kurzerhand nach Los Angeles verlegt. Aber es gibt dafür neue Entwicklungen im Sylt der New Yorker: den wachsenden Zuzug von Asiaten, Latinos und Afroamerikanern zum Beispiel. 2008, als einige Hedgefondsmillionäre wegen der Banken- und Immobilienkrise ihre Sommerhäuser abstoßen mussten, tat sich ein Türspalt auf für Leute, die sich normalerweise kein Heim in den Hamptons leisten können.
Diese Art von Zuzüglern meinte es ernst: Für das Haus wurde alles andere verkauft, man lebt jetzt da, wo andere nur Sommerurlaub machen, und entsprechend steht man die zwischen Labor Day und Spring Break geschlossenen Restaurants, die eisigen Winter und die ganze Schulzeit der Kinder durch. Auf www.spokeo.com kann man fast jede Adresse auf Long Island eingeben und bekommt gleich Daten wie Anzahl der Bewohner, Alter, ethnische Zugehörigkeit, Haushaltseinkommen, Haustiere und Wert der Immobilie ausgespuckt, um „Freunde in der Nachbarschaft zu finden“, wie die Macher der Webseite es formulieren.
Immobilien sind einfach das Thema auf dem Inselabschnitt, auf dem jedes große New Yorker Maklerbüro mindestens eine Dependance unterhält. Jeder noch so windschiefe Stall wird in ein Cottage umgewandelt und verhökert. Und wahrscheinlich gibt es nirgends sonst auf der Welt derart viele lokale Hochglanzmagazine, die ausschließlich aus Immobilienannoncen, Werbung für Maklerbüros und Geschichten über „Wer hat wo welches Haus gekauft/verkauft“ bestehen.
Der ambitionierteste und gleichzeitig simpelste Neubau ist derzeit allerdings ein Museum in Water Mill. Das neue Heim des Parrish Art Museum, entworfen von den Architekten Herzog & de Meuron, sieht aus wie ein riesiger Schuppen und wird auch „the shed“ genannt. Vanity Fair feierte die Architekten dafür, dass sie wieder an die bescheidene moderne Holz-Glas-Architektur der Prähedge-Ära anknüpften. Auch dafür war die Krise 2008 also gut: Der ursprüngliche Entwurf, dessen Bau 80 Millionen Dollar gekostet hätte, wurde zugunsten des Schuppenkonzepts verworfen für nur noch 26 Millionen Dollar.
Der Schuppen ist eindrucksvoll. In einer Folge von „Akte X“ hätte er locker als geheimes Labor für noch geheimere Biowaffen durchgehen können, mit dem Agrartouch, den der wahnsinnig lange und dadurch sehr flach wirkende Bau in dieser Landschaft unweigerlich hat. Die Betonwände aber sind luxuriös-samtig und scheinen das inseltypische goldene Licht zu speichern. Innen wirkt alles hoch und luftig, und dann beherbergt das Parrish Art Museum ja noch eine sehr schöne Sammlung von Malerei aus den Hamptons. Sie zeigt das Long Island, bevor die Hedgefonds-Typen kamen und überall den Blick durch meterhohe Buchsbaumhecken verstellten. Besonders anrührend sind Fairfield Porters ausgewaschene Farben, die kleinformatigen Interieurs seines gemeinsamen Zuhauses mit der Dichterin Anne Channing Porter. Dagegen verhalten sich die zurzeit inmitten der ständigen Sammlung platzierten chromglänzenden Blingbling-Arbeiten der Künstlerin Josephine Meckseper wie ein Rudel Wallstreet-Milliardäre auf dem Weg zum Yachtanleger. Ein in Kunst übersetztes Abbild der Zustände draußen vor der Tür. Aber dafür ist ein Museum schließlich da.
■ Ophelia Abeler ist Kulturkorrespondentin der taz in New York