JEAN PETERS POLITIK VON UNTEN : Deutschland an Islam! Bitte melden!
Wie soll denn eine Nation mit einer Religion sprechen – in einem Dialog? In Kairo kriegt man das als Clown schon hin, hat sich ein prekärer Praktikant im Außenministerium wohl gedacht. Und siehe da …
Ich bin nun mit meinem Studium fertig, endlich arbeitslos, und lasse mich seitdem viel leichter für Aufträge bestechen, die ich nicht auf Anhieb durchblicke. Im Moment bin ich in Kairo und bereite ein Zirkusprojekt vor, das von einem Referat des deutschen Außenministeriums mit dem hübschen Namen „Dialog mit dem Islam“ bezahlt wird.
Die Idee ist eine Fortführung dessen, was ich mit meinem alten Zirkuskollektiv machte – Menschen, die sonst keinen Schimmer voneinander haben, jonglieren eine Woche miteinander und purzeln durch die Luft, bis sie sich so gern haben, dass sie schließlich sogar zusammen auftreten können – ein feiner Weg, Missverständnisse oder Identitätengehabe zu umgehen.
Nur unterstützt das nun Deutschland, unsere liebe Nation, die wir ja nicht abwählen können, die uns aber die Freiheit gibt, über alles zu meckern. Deutschland will also den Dialog mit dem Islam. Kamma ma’ nicht meckern. Oder doch?
Wer will hier eigentlich mit wem reden? Eine Nation mit einer Religion? Eine Nation, die föderalistisch organisiert ist, mit einer Religion, wie sie heterogener kaum sein könnte? Dann nimmt in der Berliner Zirkusgruppe formell gesehen auch noch ein Muslim teil – wird das Ganze zum Monolog, wenn er auf andere Muslime stößt? Oder wiegt das Deutschsein dann doch schwerer als das Muslimischsein?
Mir dünkt, dass bei einem so missverständlichen Arbeitstitel ein prekärer Praktikant im Ministerium am Werk war.
Immerhin werde ich nun für meine Ausbildung bezahlt, und in meinem letzten Schokobonbon stand sowieso, dass ich nur geduldig sein muss – und der Erfolg komme von alleine.
Umringt von Lichtern, Taxis, unrhythmischem Gehupe und erquickender Dudelmusik springe ich in den nächsten Bus, der mich irgendwohin fährt. Fünf Leute sind helfend bemüht, herauszufinden, wo ich hinwill, und ich versuche mit meinen Brocken Arabisch aufzutrumpfen. Immer wieder wiederhole ich „mischmuschkilla“ – kein Problem – oder „ana bahlawhan“ – ich bin ein Clown. Ich habe bemerkt, dass die Menschen sich dann meist sehr freuen.
Während ich an den ersten Dialogen scheitere, beginne ich zu verstehen, warum ich von dem Referat hierher geschickt wurde. Diese Stadt wimmelt von Menschen, die den Dialog suchen.
Nach 48 Stunden Kairo schaffe ich es, eine Artistentruppe des ägyptischen Nationalzirkusses zusammenzutrommeln, bevor die Berliner kommen.
Dabei wurde mir klar, was mein Schokobonbon wohl meinte: Einer der Artisten heißt Islam.
■ Der Autor ist Kinderclown und Friedensaktivist Foto: Sylphide Noire