Italiens Serie A: Inter vielleicht mal nicht Meister
Fünf Spieltage vor dem letzten erklimmt der AS Rom die Spitze der Tabelle. Inter Mailand könnte tatsächlich einmal nicht Meister werden.
ROM/BERLIN taz Die Fackel ist geworfen und der Meisterschaftskampf in Italien endgültig neu entfacht. Nach einem mühsam erkämpften 2:1-Heimsieg gegen Atalanta Bergamo zog der AS Rom am Sonntag an Dauermeister Inter Mailand vorbei, Die Nerazzurri mussten sich im Spitzenspiel am Samstag beim wiedererstarkten AC Florenz mit einem 2:2 begnügen.
"Das ist so wunderschön", jubelte der Montenegriner Mirko Vucinic, der das Führungstor der Römer erzielt hatte. "Das Schönste kommt erst noch. Die Mannschaft ist in Form und wir geben Gas bis zum Ende", blickte sein Trainer Claudio Ranieri voraus. Stolz fügte der gebürtige Römer hinzu: "Das erste Mal seit zweieinhalb Jahren sind wir ganz vorn. Jetzt haben wir das Schicksal in unserer Hand." Den größten Teil der Zeit, auf die er mit dem kollektiven Pronomen "wir" anspielte, verbrachte er allerdings am Steuer von Juventus Turin. Aber in der Stunde des Jubels zählten solche Feinheiten nicht.
Klubpräsidentin Rosella Sensi standen die Tränen in den Augen. "Ich habe beim Schlusspfiff sofort an meinen Vater denken müssen", gestand sie. Mit dem vor zwei Jahren verstorbenen Franco Sensi im Chefsessel gelang dem AS Rom der letzte Triumph. Der Scudetto anno 2001 war jedoch mit so viel geborgtem Geld erkauft, dass danach der Totalbankrott drohte. Mit bemerkenswertem Sparkurs rettete die smarte Rosella den Verein. "Unsere Arbeit macht sich jetzt bezahlt", meinte sie. Fünf Spieltage vor Schluss dieser Saison ist sie endgültig aus dem Schatten ihres Vaters herausgetreten.
Dass sie diesen Tag erleben durfte, war nicht so sehr das Verdienst der neuen Wunderwaffe To-To. Denn es stand bereits 2:0 für seine Farben, als Luca Toni zu Beginn der zweiten Halbzeit den Rasen des Olympiastadions betrat. Defensivmann Marco Cassetti hatte dieses Tor in prächtiger Mittelstürmer-Manier auf Vorlage von Totti erzielt. Toni hingegen versemmelte nach seiner Einwechslung eine Großchance, die ihm ein feiner Lob seines To-To-Partners Totti eröffnet hatte.
Ansonsten rackerte und rannte er, schwitzte brav sein Trikot durch, vergab aber auch eine im Standfußball herausgearbeitete Schussmöglichkeit von der Strafraumgrenze. Beim historischen Triumph seiner Mannschaft neigte sich seine Leistungskurve leicht nach unten. Dieser Vorstellung eingedenk beteiligte sich Toni immerhin nicht an der anschließenden Parade durch die Allee der Mikrofone und Kameras.
Hier gab vielmehr Totti den Ton an. "Es ist ganz schön kalt oben", witzelte der Kapitän über die erste Tabellenposition. Ihm gelang es sogar, die einzige potentielle Quelle der Missstimmung zum Versiegen zu bringen, bevor sie richtig zu sprudeln begann. Zur Verblüffung aller verweigerte er zehn Minuten vor Schluss seine bereits angezeigte Auswechslung.
Er sagte dem versteinert wirkenden Ranieri ein paar Worte, gestikulierte - und der Franzose Menez begab sich unter die Dusche. "Menez hatte bereits eine Gelbe Karte. Wir liefen Gefahr, das Spiel zu zehnt zu beenden", erklärte Totti sein Verhalten. Ranieri bestätigte großzügig diese Schilderung. Er durfte sich dafür mit Trainerikone Nils Liedholm vergleichen lassen. Auch der Schwede, römischer Meistertrainer des Jahres 1983, habe auf große Spieler gehört, schmeichelte ein Reporter.
Inter Mailand nahm den Führungswechsel eher grimmig auf. Trainer José Mourinho haderte mit dem Linienrichter Stefano Ayroldi, der nach dem Schlusspfiff in Florenz gejubelt haben soll. Man müsse wissen, warum er gejubelt habe, für Florenz, für Rom, gegen Inter oder einfach nur für sich selbst, versuchte Inters Technischer Direktor Marco Branca die Situation zu entschärfen. Für Inter und für Mourinho bricht nun eine neue Ära an.
Die letzten Meisterschaften hatte der Klub immer von vorn gewonnen. Auch der Portugiese hatte seine Titel mit Porto und Chelsea nach souveräner Tabellenführung erobert. Der Siegeszug aus der zweiten Reihe ist bislang nicht seine Stärke. Zudem spricht das schwerere Programm gegen Inter. Am nächsten Spieltag kommt es zum Duell mit Juventus. Drei Tage vor Schluss lauert Lazio. Genau diesen Gegner hat der AS Rom am nächsten Wochenende vor der Brust.
Weil Derbys eigenen Gesetzen folgen, betrachtet Catanias Coach - und früherer Assistenztrainer bei Inter - Sinisa Mihajlovic seinen Ex-Klub im Vorteil: "Der AS Rom gewinnt das Derby nicht. Dann stellen sich die alten Verhältnisse wieder her - und bleiben bis zum Ende so. Inter bleibt der Favorit." Momentan vertritt der Serbe damit aber eine Minderheitenmeinung. Die Losung des Tages gab Il Messagero aus. "Rom kommandiert", bilanzierte knapp aber treffend das hauptstädtische Blatt.
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