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■ Italiens Regierung hat Zeichen gesetztDer kurze Frühling der „Revolution“

Natürlich gehört Klappern zum Geschäft, und gerade in Italien darf während einer ansonsten „sanften“ Revolution Show und Getöse nicht fehlen – zumal wenn sich derart Schwerwiegendes wie die Transformation eines Regimes in Italien abspielt. Knaller und bühnenreife Szenen gab es denn auch zuhauf, von tumultartigen Parlamentsdebatten bis zu filmreifen Auftritten von Politikern vor Gerichten; und mitunter suchten Bremser die Wandlung noch im letzten Augenblick mit Bomben und Geheimdiensttricks aufzuhalten.

Dennoch hat Italien zumindest den Ansatz zu einem Übergang von der typischen Nachkriegsrepublik (aufgebaut auf dem Erlebnis von Diktatur und Krieg und danach konsolidiert mithilfe des westlichen Antikommunismus) in ein System fürs nächste Jahrhundert geschafft; und dies, obwohl die alte Tendenz mehr verfestigt schien als überall sonst – nicht ein einziges Mal hatte es, trotz der 52 Kabinette seit 1946, einen wirklichen Regierungswechsel gegeben.

Die Liquidierung des alten Systems – das auf dem Papier die liberalste Verfassung aller Zeiten, in der Praxis zur hinterhältigsten Ausbeutungsmaschinerie des ganzen Jahrhunderts entartet war – glückte mit einer Selbstreinigung ohnegleichen: Per Strafprozeß wurde die gesamte bisherige, durchgehend korrupte Herrschergarde abgehalftert (wobei man ihnen doch nicht so viel antat, daß diese das Land ins Verderben reißen mußten). Dazu kam, daß eine aus blankem Mangel an sauberen Politikern geschaffene Regierung von vorwiegend Parteilosen unter dem ehemaligen Notenbankgouverneur Ciampi den unfähigen Volksvertretern innerhalb nur weniger Monate vormachte, wie man einen Haushalt konsolidiert, die Inflation drückt, die Außenhandelsbilanz ins Positive wendet, die verschlampten Staatsbetriebe privatisiert und den Dienstleistungssektor wenigstens einigermaßen wieder auf den Weg des Funktionierens bringt.

Daß die Arbeitslosigkeit weiter angstiegen ist, darf man dabei nicht übersehen oder verniedlichen. Doch da Italien als einziges Land der Europäischen Union die von der EU gesetzten Normen heute schon fast alle erfüllt hat, gibt es Aussichten, von nun an wirklich aufbauen zu können. Anderen Ländern, wie etwa Deutschland, steht viel von dem noch bevor, was Italien schon hinter sich hat. Werner Raith

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