: Ist sein Fußball schön?
Miroslav Klose hat vier Tore bei dieser WM erzielt. Das macht ihn zu einem der wenigen deutschen Spieler von Weltklasse – nur im Rest der Welt will man sich mit diesem Gedanken nicht anfreunden
AUS BERLIN MARKUS VÖLKER
Die Fußballwelt tut sich schwer mit diesem Deutschen. Er schießt Tore, gut, aber irgendetwas stimmt da nicht. „Klose ist nicht Gerd Müller und nicht Paolo Rossi. Er wird nie ein Ronaldo sein und nie etwas mit Totti zu tun haben. Klose ist nicht schön, und sein Fußball ist nicht schön“, schreibt die italienische Zeitung La Gazzetta dello Sport in ihrer gestrigen Ausgabe. Das lachsrote Blatt steht mit dieser Meinung nicht allein da. Aber warum eigentlich? Ist Klose nicht in „bestechlicher Form“, wie Trainer Jürgen Klinsmann meint? Ist er nicht der aktuelle Torschützenkönig dieser Fußball-Weltmeisterschaft – mit vier Toren?
Doch, doch, das ist Miroslav Klose, 28, der Profi des SV Werder Bremen, aber bis er die skeptische Öffentlichkeit restlos von seinen Fähigkeiten überzeugt hat, muss er wohl noch einmal so viele Tore wie in der Vorrunde schießen. Die Welt will Geistesblitze auf dem Feld und im Tor einschlagen sehen, sie will sich an ballistischen Kunststücken berauschen und Momente genialer Eingebung feiern. Klose scheint diesen Durst nach spektakulären Aktionen nicht zu stillen. Doch wer genau hinsieht, wird erkennen, dass seine Tore nicht nur der Lohn unermüdlicher Rackerei und einstudierter Laufwege sind. Klose kann mehr. Man muss es nur sehen wollen.
Über Klose wurden schon viele vorschnelle Urteile gesprochen. Die Liste ist recht lang. 1998 fiel er bei einem Sichtungslehrgang des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) durch. Man hielt ihn nicht für einen „Perspektivspieler“, und bei der WM vier Jahre später schoss er fünf Tore. In Kaiserslautern hatte er es anfangs schwer. Doch er kämpfte sich durch, wurde zum exzellenten Kopfballspieler, nicht zuletzt, weil er mit einem Bleigürtel um die Hüften Sprungkraft trainierte. Als er 2004 nach Bremen wechselte, raunten die Skeptiker, dieser Klose könne vielleicht Kopfstöße im Tor versenken, aber sonst sei mit ihm nicht viel anzufangen. Werder habe einen Fehleinkauf getätigt, weil das Spiel des SV auf Pässe und nicht auf Flanken in den Strafraum ausgelegt sei. Der Fehleinkauf wurde Bundesliga-Torschützenkönig. Jetzt heißt es, der Stürmer müsse erst beweisen, dass er nicht nur in der WM-Vorrunde Tore schießen kann, sondern auch in K.-o.-Spielen.
Klose hat die Kritik immer aufgesogen und sein Spiel vervollkommnet, sich ein beachtliches Repertoire erarbeitet. Sogar zu Hause in seiner Wohnung soll er Linksschüsse geübt haben, einen Lichtschalter als Ziel gewählt und auch mal eine Vase erwischt haben. Das ist Klose: Kritik versteht er als Aufmunterung, weswegen ihn die Frankfurter Rundschau neulich als ein „Musterexemplar an Eigenmotivation“ bezeichnet hat. Klose hat sich diese Haltung früh antrainiert. Mit seinen Eltern aus Polen eingewandert, konnte er in der Schule kein Deutsch und musste zurückgestuft werden von der vierten in die zweite Klasse. Dort mag er erkannt haben, dass er hart an sich arbeiten muss, will er es zu etwas bringen.
„Wer mich kennt, weiß, dass ich noch nicht am Ziel bin“, hat er nach dem 3:0 der Deutschen gegen Ecuador am Dienstagabend gesagt. „Ich habe bei dieser WM noch viel vor. Mein Ziel ist es, bei diesem Turnier in die Weltspitze vorzudringen, aber vorrangig zählt nur der Erfolg der Mannschaft.“ Er bezeichnet sich mittlerweile selbst als Führungsspieler, übernimmt Verantwortung und maßregelt junge Kollegen. „Er ist jemand, der immer sehr klare Ziele hatte“, sagt sein Berater Alexander Schütt, „und er verfolgt sie, ohne zu verkrampfen. Er hat die natürliche Gabe, nie zu verkrampfen.“ Der ehemalige SWR-Mitarbeiter hat mit Klose auch das Sprechen vor Kameras und Mikrofonen geübt. Nun gelingen Kloses öffentliche Auftritte besser.
Es könnte gut sein, dass Klose nicht nur weiterhin an seinem Deutsch feilt, sondern bald auch Spanisch, Englisch oder Italienisch paukt. Er will ins Ausland wechseln. Anfragen des US Palermo und von Manchester United soll es bereits gegeben haben. „Kein Kommentar“, sagt sein Berater dazu, der freilich hochzufrieden ist mit dem Turnierverlauf und dem steigenden Marktwert seines Schützlings. Kloses Vertrag in Bremen läuft bis 2008. Insider rechnen damit, dass er bis 2007 bei Werder bleibt und dann den Verein verlässt. Ihm bleibt noch genug Zeit, die zweifelnde Journaille zu überzeugen, vor allem die Schreiberlinge der Gazzetta dello Sport.