piwik no script img

Israels Premier unter KorruptionsverdachtOlmert tritt bei Anklage zurück

Der Ministerpräsident soll in seiner Zeit als Bürgermeister Jerusalems regelmäßig große Summen Geld von einem US-Geschäftsmann erhalten haben. Er beteuert seine Unschuld, erwägt aber eine Amtsniederlegung.

Ehud Olmerts Tage als Premier scheinen gezählt. Bild: dpa

JERUSALEM/WASHINGTON afp Israels Ministerpräsident Ehud Olmert steht offiziell unter Korruptionverdacht. Wie das Justizministerium in Jerusalem am Donnerstagabend mitteilte, erhielt Olmert, als er Bürgermeister von Jerusalem sowie Industrie- und Handelsminister war, von einem US-Geschäftsmann, Morris Talansky, "ungenehmigt" über einen langen Zeitraum "bedeutende Summen". Olmert beteuerte seine Unschuld und erklärte, dass er im Fall einer Anklage zurücktreten werde. Korruptionsermittler hatten den Regierungschef am Freitag in seiner Residenz in Jerusalem vernommen. Die Affäre erschüttert Israel wenige Tage vor einem erneuten Besuch von US-Präsident George W. Bush.

Die Ankündigung des Justizministeriums am Tag der Jubiläumsfeiern aus Anlass der Gründung des Staates Israel vor 60 Jahren bringen Olmert in Bedrängnis. Beobachter schließen einen Rücktritt des Regierungschefs und vorgezogene Neuwahlen nicht aus. In einer Ansprache an die Nation wies Olmert die Vorwürfe zurück. "Bürger Israels, ich sehe Ihnen in die Augen und sage Ihnen ohne Umschweife: Ich war niemals bestechlich. Ich habe nie einen Cent für mich selbstverwendet." Sollte die Justiz Anklage erheben, "werde ich zurücktreten", sagte er.

Bei Olmerts mutmaßlicher Geldquelle handelt es sich um den jüdischen Geschäftsmann Talansky. Der 75-Jährige soll nach Angaben der Ermittler Olmerts Wahlkampf zum Bürgermeister von Jerusalem 1993 illegal unterstützt haben; außerdem soll OImert auch 1998, 1999 und 2002 Geld von Talansky erhalten haben. Insgesamt seien mehrere hunderttausend Dollar an Olmert geflossen. Dieser beteuerte, die Geldquellen seien nicht illegal gewesen.

Gegen Olmert laufen drei weitere Korruptions-Untersuchungen, darunter wegen betrügerischer Immobilien-Transaktionen und der Ernennung von Günstlingen auf wichtige Verwaltungsposten. Olmert war am vergangenen Freitag auf Antrag von Generalstaatsanwalt Menahem Masus vernommen worden. Später war trotz einer behördlichen Nachrichtensperre durchgesickert, es handele sich um eine "schwerwiegende" Angelegenheit aus der Zeit vor Olmerts Amtsantritt 2006.

Aus der Opposition wurden Rücktrittsforderungen laut. Der Likud-Fraktionschef Gideon Saar forderte vorgezogene Neuwahlen. Angesichts "der Schwere der Vorwürfe gegen Olmert, ist er nicht in der Lage, seine Funktionen auszuüben", sagte Saar. Die Legislaturperiode endet offiziell im November 2010. Olmerts Koalition verfügt im Parlament nur über eine knappe Mehrheit von 64 von 120 Sitzen. Die Olmerts Partei Kadima äußerte sich nicht zu den Vorwürfen. Vorgezogene Neuwahlen würden auch die Bemühungen Washingtons um einen Nahost-Frieden durchkreuzen. Die laut Umfragen favorisierte rechtsgerichtete Opposition ist gegen ein israelische-palästinensisches Friedensabkommen.

Die US-Regierung hält an der für kommende Woche geplanten Israel-Reise von Präsident Bush fest. Die Angelegenheit sei Sache der israelischen Justiz, sagte Bushs Sprecher Gordon Johndroe mit Blick auf die Affäre um Olmert. Es werde keine Änderung der Reisepläne Bushs geben. Bush wird am Mittwoch in Israel erwartet. Geplant sind Treffen mit Olmert und Staatspräsident Schimon Peres. Bush will noch vor dem Ende seiner Amtszeit im Januar 2009 ein Friedensabkommen zwischen Israelis und Palästinensern erreichen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!