piwik no script img

Irgendwann sieht man den Text hinter den Hinweisfenstern nicht mehrDanke, dass Sie sich für diese Kolumne entschieden haben

Foto: privat

Nullen und Einsen Michael Brake

Wenn ich ein Hotel brauche, nutze ich das Vergleichs- und Buchungsportal booking.com. Mitunter, wenn ich bereits in die Stadt gekommen bin. Ich weiß gar nicht, wie das anders gehen soll: in alle Hotels fahren und nach den Preisen und der Ausstattung fragen? Dann ist der Tag doch rum. An dieser Stelle ist das Internet uneingeschränkt wunderbar.

Das soll nun keine Werbung sein, ich habe keine Ahnung, ob booking.com besonders gute Angebote macht. Sie sagen es mir natürlich. Und ich lasse mich gern von dieser Illusion einwickeln, weil es sich gut anfühlt, gerade 35 Prozent gespart zu haben.

Aber in Wirklichkeit bin ich einfach irgendwann auf der Seite gelandet und verstehe sie jetzt. Nicht anders ist vermutlich die Kundenbindungsstrategie von sämtlichen Servicewebseiten: „Macht es so, dass die Leute damit irgendwie umgehen können. Dann werden sie schon bleiben.“

Was mich aber kolossal nervt, ist das Hinweisgewitter: Über, neben, unter und im Beschreibungstext, dazu noch als weglickbare Box am Rand werden bunte Köder ausgelegt, warum man das jetzt ganz schnell buchen muss. „Preise könnten steigen, also bestätigen Sie Ihre Buchung heute.“ „Nur noch 4 Zimmer auf unserer Seite verfügbar!“ usw. Oder irgendwelche Sinnlosstatistiken, wie viel Prozent billiger/teurer/ausgebuchter das Zimmer/die Stadt aktuell ist. Gegen diese digitale Koberei herrscht vor den Stripclubs von St. Pauli vornehme Dezenz.

Auch Airbnb, meine Alternative bei der Unterkunftssuche, spielt dieses Spiel. Da kann sich die Seite noch so kumpelig-urban geben, es ist der gleiche Quatsch in einem flapsigeren Tonfall: „Ein paar andere User haben ein Auge auf diese Unterkunft geworfen.“ Na klar.

Das Schlimmste aber ist, dass dieses Prinzip anscheinend so gut funktioniert, dass es inzwischen auch Nachrichtenseiten nutzen. Mit Overlays, die auf neue Inhalte auf der Startseite verweisen, ging es los. Von dort ist es nur noch ein kleiner Schritt zu Nonsens-Ankündigungen wie „675 Nutzer lesen gerade diesen Service-Artikel über Powerfoods.“ oder „Soeben ist ein Artikel von XY erschienen. Seien Sie der erste Leser.“

Irgendwann sieht man den Text hinter den Hinweisfenstern einfach nicht mehr. Und dann ist der Onlinejournalismus durchgespielt.

Danke, dass Sie sich für diese Kolumne entschieden haben. Was wollen Sie als Nächstes tun?

Ein taz.zahl-ich-Abo ­abschließen

Eine Packung tazpresso kaufen

Einen Mietwagen buchen

Senden Sie mir Angebote mit bis zu 50 % Rabatt für Kolumnen, die mich interessieren, und andere tolle Lebensinspirationen.

14 andere Leser sehen sich diese Kolumne gerade an.

Diese Kolumne hat die wenigsten Vokale seit über 99 Tagen. Das ist eine besondere Chance!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen