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Intimes im sozialen NetzwerkFacebook gibt Suchmaschinen Futter

Facebook öffnet sich dem freien Web. Auf den neuen Suchmaschinen Openbook und Booshaka werden Status und private Daten von Nutzern sichtbar – die wissen meistens nichts davon.

Da freut sich der Arbeitgeber: Unter dem Suchbegriff \"my employer\" lassen sich auf Booshaka zahlreiche Kommentare über den Chef finden. Bild: screenshot/booshaka.com

Suzy P. hasst ihren Chef. "Ist bald Freitag?", fragt sie flehend. Daisy R. geht es nicht anders: "Ich brauche einen neuen Job! Ernsthaft!", schreibt sie und unterstreicht das mit ungefähr 20 Ausrufezeichen. Keine dieser Meinungsäußerungen dürfte darauf angelegt gewesen sein, an die Öffentlichkeit zu dringen. Dank einer von Facebook kürzlich freigegebenen neuen Programmierschnittstelle (API) sind sie aber in wenigen Sekunden auffindbar – über gerade frisch gestartete Suchmaschinen wie "Openbook" oder "Booshaka".

Je nachdem, wie das persönliche Profil abgesichert ist, ist das Auslesen von Nutzernamen, Geburtsdatum, Gruppen, Fotos, Videos oder Notizen möglich – und vor allem, was die Suchmaschinen besonders interessiert, die so genannten Statusbotschaften. Über diese erzählen Facebook-Nutzer im Twitter-Stil, was sie gerade tun – zumeist an den persönlichen "Inner Circle" gerichtet, weil das soziale Netzwerk einst hauptsächlich auf Freundesgruppen eingestellt war.

Openbook ist dabei als Projekt angelegt, das aufklären soll. "Wir wollen zeigen, welche Informationen Facebook über seine Suchschnittstelle offenlegt", so die Macher Will und Peter, die das System nach ihren eigenen Angaben in einer Nacht zusammenprogrammiert haben. Mit der Suche ist es sogar möglich, Statusbotschaften nach Männlein und Weiblein zu trennen, ein Bild wird ebenso angehängt wie die Möglichkeit, sich gleich auf das Profil zu klicken.

"Facebook hat zwei klare Fehler begangen", schreiben die Openbook-Macher. "Einerseits macht das Netz keinen guten Job, wenn es darum geht, welche der Informationen, die man teilt, öffentlich sind". Zweitens verändere Facebook seine Regeln "viel zu häufig". Wer die Datenschutzbedingungen erst vor einem halben Jahr verstanden habe, stehe inzwischen ahnungslos da.

Während Openbook also der Aufklärung dient, ist Booshaka wiederum offensichtlich als kommerzielles Projekt angedacht – inklusive Werbung, "populären Themen" und "lustigen Suchbegriffen". Das Angebot wird im Minutentakt aktualisiert. "Booshaka ist das, was passiert, wenn Facebook, Google und Twitter zusammen ein Baby bekommen", schreiben die Macher stolz in ihrem Blog.

Man sei "die erste soziale Suchmaschine basierend auf der Facebook-Plattform". Weder bei Booshaka noch bei Openbook muss man vorher bei Facebook angemeldet sein, um die Suche nutzen zu können – die Angebote sind im freien Web verfügbar. Als "Partner" von Facebook dürfen die dabei erhobenen Daten von den Suchmaschinen mittlerweile auch länger als 24 Stunden vorgehalten werden – ein "Feature", das Facebook unter Applaus der Entwickler kürzlich vorstellte.

Dass die Nutzer, die von den neuen Suchmaschinen erfasst werden, selbst für ihr Schicksal verantwortlich sind, kann man nicht unbedingt sagen. Es ist mittlerweile selbst für Internet-Profis schwer, ihre Privatsphäre auf Facebook zu bewahren. Die seit Herbst 2009 bereits dreimal überarbeiteten Datenschutzbedingungen sind inzwischen deutlich länger als die amerikanische Verfassung.

Mehr als 50 verschiedene Menüpunkte mit über 170 Optionen existieren laut Zählung der "New York Times" auf Facebook allein für den Bereich Sicherheit und Privatsphäre. Da blickt kaum noch jemand durch, weswegen es inzwischen externe Browser-Erweiterungen gibt, mit denen sich problematische Einstellungen automatisch offenlegen lassen – programmiert von Freiwilligen.

Bekannte Netzexperten wie der Gadget-Blogger Peter Rojas oder der Google-Suchmaschinenexperte Matt Cutts haben sich deshalb aus dem Netz verabschiedet, weil sie die ständige Aushöhlung ihrer Privatsphäre nicht mehr dulden wollten. Der Unternehmer und Netzpromi Jason Calacanis schrieb kürzlich in seinem Blog, dass Facebook-Gründer Mark Zuckerberg schlicht nicht mehr vertrauenswürdig sei.

Vor kurzem bekanntgewordene Chats zwischen dem heute 26-jährigen Unternehmer und einem Ex-Kollegen aus der Frühzeit der Facebook-Gründung könnten dafür als Beleg dienen. Damals prahlte der Student Zuckerberg damit, er verfüge über 4000 E-Mails, Bilder und Adressen. "Die Leute haben sie mir einfach übermittelt. Ich weiß nicht warum. Sie vertrauen mir. Blöde Arschlöcher." Facebook wollte die Vorwürfe nicht kommentieren.

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15 Kommentare

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  • V
    vic

    Habe Donnerstag auf Monitor gesehen, dass Facebook registrierte User um Eingabe des eMail Account-Passworts bittet. Wenn die´s tun, dann finden sich alle dort gespeicherten Kontakte in Facebook wieder, und werden von Fb und allen die das wollen per Mail kontaktiert.

    Und alles was der registrierte User zu seinen jeweiligen Mail-Kontakten notiert hat, wird der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

  • K
    kaidoh

    man kann es sich natürlich einfach machen und die Ansicht vertreten, jeder solle gefälligst selbst auf seine Daten aufpassen.

     

    Auf der anderen Seite wirbt Facebook damit, dass man mit seinen Freunden in Kontakt treten kann und sich mit ihnen austauscht (daher hat man ja auch "friends"). Facebook wirbt nicht damit, dass es deine Daten jedem hinterherwirft, der sie haben möchte und dafür vielleicht sogar ein wenig Geld ausgibt. Das steht nur im Kleingedruckten irgendwo in den AGBs die nicht nur auf kauderwelschisch verfasst sind, sondern sich auch noch alle paar Wochen ändern.

     

    Die Tatsache, dass man von den Nutzern Daten erhält heißt noch nicht, dass man damit machen darf, was man will (zumindest datensethisch gesehen, nicht wirtschaftsjuristisch).

     

    Man stelle sich vor, die Post würde Postkarten einscannen und samt den Empfängeradressen in nach Postleitzahlen sortierten Fotobänden zum Verkauf anbieten.

  • F
    Facebook-Profi

    Mensch na endlich, wird ja auch Zeit das mir als nicht-Mitglied auch die Möglichkeit gegeben wird auf Facebook mitzulesen.

     

    *Thumbs up*

  • C
    C.K.

    Awareness dürfte wohl das Stichwort sein. Wenn so ein Artikel dazu dient, dass sich auch nur 10 Leute bemüht fühlen sich jetzt eindlich mal mit dem Schutz ihrer Privatsphäre im Netz ernsthaft auseinander zu setzen ("Ach ja, darum wollte ich mich ja auch noch kümmern..."), ist das ok.

     

    Hat halt nicht jeder den CT und Heise Feed abonniert.

  • R
    Renate

    Klar ist Jeder selber verantwortlich.

     

    Aber die Tatsache, dass man seine Daten explizit schuetzen muss, ist das Thema und zeigt, welch Geistes Kind hinter Facebook steht. Volle Privatsphaere sollte die Standardeinstellung eines Profils sein, nein, diese muss man erst manuell herstellen.

  • O
    Onegin

    Habe gerade mehrere Freunde inklusive meinen eigenen Account "gesucht". Ohne Ergebnis. Entweder ich mach etwas falsch oder mein Freundeskreis sichert sich unglaublich gut ab...

  • M
    meinereiner

    Die Vorschreiber übersehen leider, daß man als Facebook nicht Nutzer oder sich schützender Nutzer, dennoch ausspioniert wird, da man keine Kontrolle über den Unfug hat den andere über Einen einstellen.

    Regelmäßig erhalte ich eine vortreffliche soziale Analyse meines Sozialen Netzwerks, wenn wieder irgend ein Idiot mich zu Facebook einladen will und mir die Facebook Mail erzählt, wenn ich kenne, kannte und kennen müßte. Ich erwarte, daß ein Dients den ich nicht nutze KEINERLEI Daten über mich sammelt!

  • C
    cousteau

    @ Lesender:

     

    Verantwortlich für meine Daten ist aber auch der, dem ich eben diese anvertraue. Und wenn der immer windigere Kniffe findet, meine Daten eben doch in die große weite Welt zu pusten, dann empfinde ich das potenziell bedenklich.

     

    Dass niemand in andere Netzwerke wechseln möchte, ist einfach unwahr. Denn erstens erfährt Facebook seine erste Abwanderungswelle. Auch wenn die 'Zuwanderung' nach wie vor weitaus größer ist, wird dies Facebook nicht egal sein. Und zweitens zeigt ein Projekt wie Diaspora, das bereits jetzt über 1700% mehr Spenden erhalten hat als für die Realisierung angedacht, dass sehr wohl ein Bedarf an sicheren, nachvollziehbaren sozialen Netzwerken da ist. Es fehlte eben bisher schlicht eine ernst zu nehmende Alternative.

  • C
    cousteau

    @ von Der, der sich schützt:

     

    Theoretisch ist Ihre Schelte ja angebracht. Nur unterstelle ich Facebook, dass man eben gezielt auf die Daten der Leute scharf ist, die entweder nicht wissen, dass sie sich schützen müssen oder nicht wissen, wie das geht. Das spricht fürwahr nicht für eben diese Benutzer, trotzdem gibt es sie. Sie einfach nur als blöd darzustellen, reicht dann eben nicht aus. Entscheidend ist doch eher, dass sie für dumm verkauft werden sollen bzw. dass dies durchaus billigend in Kauf genommen wird, um an ihrer Blödheit letztlich zu verdienen.

     

    Einige Firmen verlangen von ihren Angestellten mittlerweile, dass sie sich auf Facebook 'verewigen'. Und da ist dann meist Unwissenheit im Umgang mit dem Medium vorprogrammiert.

     

    Also bitte, bei aller Begeisterung für Facebook: Häme und Schelte helfen letztlich nur den Betreibern. Und denen sind Sie, denen sind wir alle strunzegal.

  • P2
    PS 261

    Sehe ich auch so. Übrigens sind die Profile per default schon seit Jahren google-bar.

     

    Mal abgesehen davon... In den meisten Artikeln, gerade aus dem IT-fernen Sektor, wird gerne übersehen, was für Innovationen und Veränderungen durch Facebook im Gange sind. Um auch mal eine positive Sicht darzustellen:

     

    http://www.heise.de/ix/artikel/Nach-der-Privatheit-506983.html

  • AM
    A mit s

    Habe das hier gerade meine Einstellungen überprüfen lassen: http://www.reclaimprivacy.org/

     

    Hat noch ein paar Dinge gefunden, die ich auf "Nur Freunde" setzen musste.

  • D
    Dice

    Liebe Kommentatoren Der-der-sich-schützt und Lesender,

    es kann euch doch nicht entgangen sein, dass die Regeln bei Facebook in der Vergangenheit geändert wurden, so dass das, was mal privat war, plötzlich öffentlich wurde. Da könnt ihr doch nicht behaupten, es sei die Blödheit der Nutzer, die diese Änderung nicht sofort bemerkt haben und deren private Informationen nun ein Zeit lang für alle sichtbar waren. Ich bin ganz sicher, dass ihr euer digitales Leben perfekt organisiert und euch das nicht passiert ist. Es kann auch sein, dass ihr nur Müll schreibt und es deshalb völlig egal ist, ob eure Einträge auf Facebook öffentlich gemacht werden oder nicht.

     

    Aber ihr geht doch auch nicht hin und sagt, wir sollen die Prävention gegen Aids einstellen, weil die Menschen nur zu blöd sind, ihr sexuelles Leben so zu ordnen, dass nichts passieren kann. Es gibt zwar Menschen, die genau das sagen, aber ihr wollt doch bestimmt nicht in diese ultrakonservative Ecke gestellt werden, wo sich nur die finden, die immer selber wissen, wie man es richtig macht und alle anderen für zu blöd erklären, wenn sie es anders machen. Also bitte akzeptiert, dass es auch Facebook und Google-Prävention geben muss. Auch wenn ihr das sicher nicht braucht.

  • L
    @Lesender

    @Lesender: Ein Problem ist tatsächlich, dass man bei diesen Plattformen (insb. Facebook) nicht alle Informationen selbst eingibt. Sobald du ein paar Freunde oder auch nur Freundesfreunde hast bekommen diese über was weiß ich für Spielchen, Apps, oder Sonntagsfragen, Fragen zu ihren Freunden und deren Persönlichkeit (Welcher Typ ist er), Lovern, etc. gestellt. Diese MÜSSEN sie dann Freunden, um gesagt zu bekommen, was die andere Person über sie gesagt hat. Aus lauter Neugier oder auch Unsensibilität beantworten diese "Freunde" das dann (Meist wahrscheinlich sogar wahrheitsgetreu, wenn nicht, um so schlimmer). Dem kann man sich ebensowenig entziehen, wie dem, dass andere Menschen regelmäßig Bilder von einem hochladen, auch wenn man das ausdrücklich nicht möchte.

     

    Über diese z.T. höchst sensiblen Informationen hat man leider keine Kontrolle. Und das soziale Netzwerk (alleine) wechseln, ist leichter gesagt als getan. Im Zweifel ist man dann nämlich raus. Die Abhängigkeit ist in vielen Kreisen eigentlich schon perfekt geschaffen.

  • L
    Lesender

    Ich verstehe die Aufregung nicht...

     

    erstens ist es hinlänglich bekannt, dass facebook ziemlich offen mit den daten seiner Nutzer umgeht und es ist an jedem selbst, für seine privatspähre zu sorgen - auch wenn es immer schwieriger wird...

     

    des weiteren ist jeder auch für die Infos verantwortlich, die dort eingestellt werden. Zu mal da in aller Regel auch nur Müll drin steht, der für die lesenden ungefähr so interessant ist, wie der sack reis in China

     

    und wem es nicht gefällt, kann ja in andere Netzwerke wechseln, was komischerweise auch niemand möchte...

  • DD
    Der, der sich schützt

    "Je nachdem, wie das persönliche Profil abgesichert ist, ist das Auslesen von Nutzernamen, Geburtsdatum, Gruppen, Fotos, Videos oder Notizen möglich"

     

    Genau so ist es! Ich kann mich doch nicht beschweren, dass ich jemanden öffentlich beleidige und dafür sogar bestraft werde? Das unsägliche gejammer der Leute, die zu blöd sind ihr digitales Leben so zu ordnen, dass man ihnen nicht nachweisen kann, dass sie Scheisse gebaut haben, geht mir langsam ziemlich auf den Senkel.

    Es gibt zig Artikel im Netz, die einem zeigen, wie man seinen Facebook Account sichert. Aber motzen ist wohl einfacher.