Interview: "Meine Musik ist näher bei der Mathematik als beim Wort"
■ Der Bassist Steve Swallow gastiert heute mit Jimmy Giuffre und Paul Bley in der Fabrik
INTERVIEW
»Meine Musik ist näher bei der Mathematik als beim Wort« Der Bassist
Steve Swallow gastiert heute mit Jimmy Giuffre und Paul Bley in der Fabrik
Einer der Höhepunkte des diesjährigen Jazz-Sommers ist mehr als dreißig Jahre alt. Im Jahr 1961 spielte der heute siebzigjährige Klarinettist Jimmy Giuffre mit einem Trio eine Aufnahme ein, die für die damaligen Verhältnisse eine gewagte Neuerung darstellte. Die wunderschönen akustischen Klangexperimente mit dem Pianisten Paul Bley und dem zwanzigjährigen Bassisten Steve Swallow sollten wegweisend sein. Die melodischen Improvisationen klingen heute genau so zeitlos wie damals. ECM veröffentlichte diese Aufnahme jetzt wieder, Steve Swallow hat sie sich nochmal angehört.
Wie gefällt dir die Aufnahme heute?
Ich war überrascht. Ich hatte das Gefühl, ich habe in diesen dreißig Jahren nichts dazugelernt.
Untertreibst du nicht ein wenig? Schließlich lernst du ständig neue Sachen. Letztes Jahr hast du es zum Beispiel mit Rabih Abou-Kahlil und den orientalischen Rhythmen probiert.
Es war nicht meine Idee. Rabih hatte irgenwas in meiner Musik gehört, woraus er zu wissen glaubte, daß mir seine Musik liegen wird.
Lag er falsch mit seiner Vermutung?
Nein, es hat mir viel Spaß gemacht. Rabih und der Perkussionist Ramesh Shotam haben sich aber auch viel Mühe gegeben, mir die Wege der orientalischen und indischen Musik zu zeigen.
Auf deiner letzten Aufnahme sind aber andere Einflüsse zu hören, karibische zum Beispiel.
Das hat eher mit meiner Umgebung zu tun, in der ich lebe.
Du bist eigentlich ein sehr beschäftigter Musiker. Mit deiner eigenen Produktion bist du aber sehr sparsam. Ich glaube, es war deine vierte eigene Arbeit in dreißig Jahren.
Ich habe auch einiges mit anderen Musikern produziert, wie mit Carla Bley und Gary Burton. Aber du hast schon recht. Der Grund dafür ist einfach. Ich brauche sehr viel Zeit, um zu komponieren. Außerdem macht es für mich nur Sinn, lange Zeit zwischen Klavier und Schreibtisch zu verbringen, wenn ich das Gefühl habe, ich habe etwas neues zu erzählen.
Hast du also eine besondere Aussage am Herzen?
Ich meine keine sozialkritische Aussage, sondern neue Melodien und Rhythmen. Meine Musik ist näher an der Mathematik als am Wort.
Kann Mathematik nicht sozialkritisch sein?
Ich glaube, die politische Aussage liegt in dem, was man spielt. Der Jazz hat seine Wurzeln in Afrika und diese Tradition bringt jeder Jazzmusiker mit sich.
War das eine rationale Entscheidung?
Ich war 19, als ich beschloß, Jazzmusiker zu werden. Bis dahin hatte ich Gedichte geschrieben und nebenbei Bass gespielt. Irgendwann haben mich Leute überredet, Musiker zu werden.
Und deine Gedichte?
Ich habe sie noch nicht veröffentlicht. Fragen: Nikos Theodorakopulos
Fabrik, 21 Uhr
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