Interview mit "The Voice of Germany"-Coach: "Castingshows muss man verurteilen"
"The Voice of Germany" will anders sein als andere Castingshows. Ab dem 5. Januar müssen die KandidatInnen sich in einer Liveshow beweisen. Coach Alec Völkel spricht über Fake, Talent und Kurt Cobain
taz: Herr Völkel, welchen Eindruck hatten Sie vor Ihrer Teilnahme als Coach bei "The Voice" von Castingshows?
Alec Völkel: Ganz klar war unsere Haltung, dass man Castingshows so, wie man sie kennt, dringend ablehnen und verurteilen muss. Weil sie ein komplett falsches Bild davon abliefern, wie man Musiker wird oder ist und was Musik ausmacht. Nachhaltigkeit wird mit Füßen getreten und erst recht die Art, wie mit Menschen umgegangen wird. Deswegen haben wir auch lange gezaudert.
Was hat Ihre Castingphobie geheilt?
Das Konzept, dass es wirklich um Musik geht, dass es um ein ganz vernünftiges, qualitatives Level geht. Es gibt halt keine Freaks, es wird nicht darauf abgezielt wie in anderen Shows, dass 50 Prozent der Leute nichts können, auf denen man rumtrampelt. Die Mitcoaches waren für uns auch ein wichtiges Argument, weil wir keinen Bock hatten, mit Fußballerfrauen oder Tanzlehrern in irgendeiner Jury zu enden, sondern gestandene Fachleute.
Die Show hat den Anspruch, Künstler nachhaltig zu entwickeln, ähnlich wie "X Factor" auf Vox. Haben Sie zur Vorbereitung die Konkurrenz studiert?
Hab ich gemacht, aber hat mich ehrlich gesagt nicht überzeugt. Zum einen verlaufen die Castings der ersten Runden auch so: Man achtet da schon auch darauf, dass Leute an den Start gehen, die nichts können. Das Coaching da kommt mir relativ gefakt vor. Zum Thema Nachhaltigkeit ist mir völlig unklar, wie man drei Tage nach dem Gewinn eine Platte auf den Markt bringen kann. Da liegt das Produkt, wie die Plattenfirmen so schön sagen, in der Schublade, und die Finalisten durften alle schon mal das Album einsingen. Da ist es nicht möglich, jemanden individuell mit seiner Persönlichkeit und Musikalität mit zu fördern. Das ist die Antithese dessen, worum es uns geht.
34, Sänger der Countryband BossHoss, will als Coach der ProSiebenSat.1-Show "The Voice of Germany" Talente nachhaltig und menschenwürdig fördern.
Kennen Sie die Gewinnerin der ersten "X Factor"-Staffel?
Nö.
Was soll verhindern, dass der "Voice"-Gewinner ebenso schnell in Vergessenheit gerät?
Versprechen kann man da natürlich nichts. Wir können nur versuchen, anders ranzugehen und eben nicht so ein Massenprodukt vorzuproduzieren. Machen wir uns nichts vor, die Scheiben, die rausgebracht werden von irgendwelchen Lombardis, das ist ja alles Retortenmist.
Also stattdessen?
Wenn der Gewinner feststeht, gucken: Was macht den denn überhaupt aus? Welche musikalischen Visionen haben die Leute, und wie soll deren Platte klingen? Wir hinterfragen uns: Will ich auf eine Platte singen, die irgendein Produzent, den ich nicht kenne, schon in der Schublade liegen hat? Nee, will man nicht, man will seine eigene Musik machen. Wir müssen den Leuten Zeit lassen und sie ihre Sache machen lassen, sie nicht in eine Rolle drängen. Eine Garantie auf Erfolg gibt es nicht, aber wenn man sie dabei begleitet, kann die Chance wesentlich größer sein.
Unter den Kandidaten sind viele Profis: Studiomusiker, Musical-Sänger. Wieso müssen die zum TV-Casting gehen?
Viele Kandidaten sind in einem vernünftigen Alter, teilweise 40 oder 50. Die treten da zum ersten Mal an, weil sie das Gefühl haben, dass das Respektlevel stimmt. Die wären zu "DSDS" oder "X Factor" gar nicht hingegangen, weil sie wissen, was sie können, und sich nicht anbiedern oder respektlos behandeln lassen. Es geht nicht um den perfekten Gesang. Richtig gut singen können viele, es geht auch um die persönliche Note. Dafür muss man kein perfekter Sänger sein. Kurt Cobain wäre auch nicht in einer Castingshow weiter gekommen. Es geht darum, dass man sich abhebt und musikalisch etwas Spannendes macht. Wenn man alles nachsingen kann, heißt das noch nicht, dass man selbst einen geilen Song auf die Reihe kriegt.
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