Internationaler Museumstag: Schöne neue Ausstellungswelt 4.0
Zum 40. Jubiläum des „Internationalen Museumstags“ an diesem Sonntag laden rund 70 Einrichtungen die Besucher ein, historische Spurensuche zu betreiben.
Der ideale Museumsbesuch ist eine Lovestory. So denkt sich das jedenfalls die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK). In ihrem Ausstellungstrailer zur Schau „El Siglo de Oro. Die Ära Velázquez“ in der Gemäldegalerie schlendert eine junge Schöne vor den großen Spaniern hin und her und verguckt sich förmlich in Murillo, El Greco oder Francisco de Zurbarán.
Als der nette feurige Aufseher, gespielt von Daniel Brühl, sich nähert und ihr die Namen der Künstler ins Ohr schnurrt, ist es um die Besucherin geschehen.
Dass die Wirklichkeit anders aussieht, wissen die Museumsleute in der SPK natürlich. Zum Witz des Trailers gehört sein Anachronismus. Denn wer etwa die Ausstellung im Martin-Gropius-Bau („Der Luthereffekt“) besucht, begegnet einer Vielzahl von in sich versunkenen Individuen mit aufs Smartphone oder Tablet fixiertem Blick.
Längst stehen nicht mehr die Bilder oder Dokumente im Mittelpunkt des Besuchs, sondern die Apps und Audioguides, die digitale Präsentation, Infos über das Social Media oder die Selfies im Vorbeigehen. Das Museum und seine Nutzer sind Teil der mittelbaren IT-Realität geworden.
Neueste digitalen Technologien für die Museen
Für die Preußenstiftung mit den Staatlichen Museen zu Berlin und weiteren fünf Institutionen, darunter das Humboldt Forum und das Deutsche Museum, liegt aber genau darin die zukünftige Erotik des Museumsbesuchs.
Pünktlich zum „40. Internationalen Museumstag“ in fast 70 Berliner Museen und Ausstellungsorten hat die SPK das Projekt „museum4punkt0“ gestartet. Das Vorhaben soll ein „Ideenlabor für die digitalen Anwendungen in deutschen Museen werden und Strategien für das Museum der Zukunft aufzeigen“, wie Ingolf Kern, Sprecher in der SPK, erklärt.
Bei „museum4punkt0“, so die SPK weiter, gehe es nicht um mehr Datenbanken zu Sammlungen oder Apps mit Hintergrundinfos. Sondern es soll in dem „visionären“ Unternehmen nach Möglichkeiten und Chancen gesucht werden, „die neuesten digitalen Technologien für die Museen, die Vermittlungsarbeit und Besucherkommunikation zu entwickeln“.
Am 40. Internationalen Museumstag am 21. Mai nehmen in Berlin zirka 70 Museen und Ausstellungsorte teil. Zudem werden rund 150 Rundgänge, Workshops und Veranstaltungen angeboten. Thema ist der Umgang mit Geschichte. Eintritt ist zumeist frei. Info: www.museumstag.de
Neben den großen Häusern bietet etwa die Stiftung Berliner Mauer in der Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde ein Kinderprogramm zum Thema Flucht und einen Fotoworkshop mit historischen Aufnahmen an, zu dem man auch eigene Fotos mitbringen kann. Info: www.notaufnahmelager-berlin.de
Im Museum für Kommunikation gibt es ab 13 Uhr spezielle Führungen. Darunter: „Mit Robotern, Rohrpost und reitenden Boten auf Spurensuche durchs Museum“ sowie „Vom Faustkeil zum Smartphone. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Kommunikation“. Info: www.mfk-berlin.de (rola)
15 Millionen Euro hat Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) für das Modellprojekt zur Verfügung gestellt. Drei Jahre soll das kooperative Verfahren unter der Steuerung der SPK laufen.
Gehen wir zukünftig alle mit iPads oder Cyberbrillen samt Head Mounted Displays vor Augen durch das Museum? Können wir vor Ort durch die Kunstgeschichte surfen? Tauchen wir virtuell in die Bilder ein, werden dreidimensional Teil davon? Und sind wir dann vernetzt mit weiteren Häusern, Bildmotiven, Kontexten, Forschungsarbeiten?
Oder doch die echte Museums-Lovestory?
Ja, meint Markus Hilgert, Direktor des Vorderasiatischen Museums und Projektleiter von „museum4punkt0“: „Die digitale Transformation eröffnet komplett neue Wege der Interaktion mit Besuchern. Wir möchten digitale Instrumente entwickeln, die das Museum, wie wir es heute kennen, als Erfahrungsraum für Besucher neu erschließen.“
Hermann Parzinger, Präsident der SPK, denkt dabei an Entwicklungen wie wir sie bei der „3D-Digitalisierung oder in den Bereichen von Virtual Reality, Augmented Reality oder Game Technology“ kennen. „Mobile Endgeräte und soziale Medien haben das Rezeptionsverhalten von Besuchern auch in Museen stark verändert. Diese erwarten, dass diese ihnen neue Zugänge zu den bekannten Inhalten ermöglichen.“
Zum Motto des Museumstags „Spurensuche. Mut zur Verantwortung“, an das insbesondere die Institutionen mit einer Fokussierung auf die Geschichte, NS-Zeit, die deutsch-deutsche Geschichte oder die aktuelle Flüchtlingslage andocken (Topographie des Terrors, DHM, Gropiusbau, Zellentrakt Papestraße, Stasi-Museum, Berliner Unterwelten) passt das 4.0-Projekt gleichwohl. Geht es doch um die Schärfung des eigenen musealen Profils wie etwa bei der Provenienzforschung. Zudem sollen neue Nutzerinteressen, Bedürfnisse, Ziele und Techniken des Museumsbesuchs erarbeitet und aufgedeckt werden – samt der Verantwortung gegenüber dem Science-fiction-artigen Aspekt, den die Sache hat.
In drei Jahren soll der Prototyp des museums4punkt0 fertig sein und vorgestellt werden. Vielleicht ist das dann die schöne neue Museumswelt. Vielleicht sehnen wir uns aber auch wieder nach einer echten Museums-Lovestory.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!