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Integratives VolkstheaterEine Feier der Freiheit

Die Heersumer Sommerfestspiele beweisen, dass Theater als integrative Kraft stark genug ist, die Landbevölkerung zu mobilisieren.

Heersumer Handarbeit: die flotte Rakete im Besitz von Kim Bum Bum und dem Volk der Nordkoriander. Bild: Andreas Hartmann

HAMBURG taz | James Bond steht im Schatten der alten Rhener Mühle und trinkt Bierchen. „Hätte nicht gedacht, dass es so gut klappt“, sagt er zu seiner Gesprächspartnerin, die wie Bond aus der norddeutschen Tiefebene stammt. Gerade ist der erste Teil des Landschaftstheaters vorbei und Bond nutzt die Pause, um Freunde im Publikum zu begrüßen.

Im wirklichen Leben heißt James Bond Bernhard Twickler, ist gelernter Metallgießer und ein alter Hase bei diesem Landschaftstheater, das seit 1993 in der Gegend zwischen Hildesheim und Salzgitter stattfindet. Überrascht über das gute Ergebnis der ersten Hälfte ist Twickler, weil die Generalprobe mal wieder chaotisch war. Aber so ist es immer bei den Heersumer Sommerspielen.

Das Konzept geht so: Regisseur Uli Jäckle inszeniert mit 130 Laien und ein paar wenigen Profis ein Stück, das einen besonderen Ort der Gegend als Kulisse nutzt – mal ist es ein Fluss, mal eine Müllkippe, in diesem Jahr ist es eine ausrangierte Mühle. Ein beachtlicher Teil der Heersumer Dorfbevölkerung spielt mit oder hilft, die opulenten Requisiten und Kostüme herzustellen. Längst kommen die Leute auch aus den umliegenden Gemeinden.

Realisiert wird ein selbst geschriebenes Stück, das aus Versatzstücken aus Popkultur, Politik und Lokalgeschichte besteht. Erzählt wird jedes Mal eine hanebüchene, wild verästelte Geschichte, die darauf zielt, schräg-schöne Bilder zu generieren. Die Geschichte verstehen zu wollen, ist mühsam. In diesem Jahr heißt sie „Der Hakelmann stirbt nie“ und ist eine Persiflage auf James Bond. Der jagt den Hakelmann, der eine Figur aus aus einer örtlichen Sage ist: Der Hakelmann ziehe Kinder, die zu nahe am Fluss gehen, ins Wasser, erzählten früher die Eltern ihren Kindern, um sie vom Wasser fern zu halten.

Schlägerei in Zeitlupe

In der Heersumer Umsetzung fährt zunächst der Nachbau eines Londoner Sightseeing-Busses über einen leicht verwilderten Fußballplatz. Eine James Bond-typische Schlägerei wird in Zeitlupe dargeboten und Menschen in Ganzkörper-Telefonkostümen stehen am Wegesrand. James Bond selbst strampelt mit einem Kettcar im Aston Martin-Design durch die Gegend, während der Diktator Kim Bum Bum als Führer der „Nordkoriander“ einen LKW hat, auf dessen Ladefläche eine imposante Rakete aufgebaut ist.

Die einzelnen Szenen finden an verschiedenen Orten in und um das Dorf Rhene statt. Das Publikum wandert von Station zu Station mit und sitzt auf tragbaren Campingstühlen. Es sieht souverän agierende Profischauspieler und weniger souveräne Laien – denen es oft schwer fällt, ausreichend laut und deutlich zu sprechen. Eine Band musiziert im Gras und die Rhener Bürger lassen in ihren Hofeinfahrten spielen. Alles in allem ist es trashige Unterhaltung für die ganze Familie und das bedeutet: Der Humor und die schauspielerische Überzeichnung der Figuren kommen aus dem Kindertheater.

Unspießiges Ergebnis

Für Zuschauer, die nicht mit Kind und Kegel angereist sind, ist das Interessante die Botschaft, die hinter diesem Projekt steckt: Das Theater schafft es, die Bevölkerung zu einer großen gemeinsamen kreativen Unternehmung zu mobilisieren. Die Mobilisierung gelingt durch alle Altersstufen und sozialen Schichten hindurch und führt zu einem unspießigen Ergebnis: Die Heersumer Sommerspiele feiern die künstlerische Freiheit und die Fantasie. Leute, deren Alltag alles andere als bunt ist, blühen auf. Nachbarn, die sich sonst über die Qualität des Heckenschnitts streiten, machen gemeinsam Blödsinn.

Das ist erstmal toll, aber das Staunen über die integrative Kraft des Theaters trägt nicht die ganze fast vierstündige Inszenierung. Dem „Hakelmann“ geht die Luft aus: Statt poetischer Bilder versucht man hier, James Bond-typische Action hinzukriegen. Wenn sich Bond im Finale in der alten Mühle aus luftiger Höhe abseilt, dann erinnert das an die Bad Segeberger Winnetou-Festspiele. Zugleich gewinnt die Geschichte an Gewicht und das bedeutet: Es wird zäh.

Ob der Hakelmann so bleibt, wie er bei der Premiere war, ist allerdings die Frage. Die Heersumer Sommerspiele müssen sich immer erst zurechtruckeln. Die Premiere ist für diesen Prozess erfahrungsgemäß nur der Auftakt.

Aufführungen: 10.,11.,17.,18.,24.,25. und 31. August, 1. September 2013; an den Samstagen um 15 Uhr, an den Sonntagen um 10 Uhr

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