piwik no script img

IntegrationStaatsvertrag? Kein Problem

Rechtlich steht einem Vertrag mit Muslimen nichts im Weg, erklärte am Donnerstagabend ein Jurist PolitikerInnen von SPD, Linkspartei, FDP und Grünen

Bild: kawe

Ein Staatsvertrag mit Muslimen ist aus rechtlicher Sicht unproblematisch. Das erklärte am Donnerstagabend Janbernd Oebbecke, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Münster, Vertretern aller Fraktionen der Bürgerschaft - nur die CDU fehlte. Gefolgt waren sie, wie rund 70 weitere Interessierte, der Einladung des muslimischen Dachverbands Schura Bremen und der Universität Bremen zu einer Fachtagung.

Oebbecke machte deutlich, dass ein wie auch immer betiteltes Vertragswerk - "Staatsvertrag" sei kein rechtlich fest stehender Begriff - vor allem ein "moralisches und politisches Signal der Anerkennung" sei. Die meisten Konfliktthemen, die in einen solchen Vertrag Einzug halten könnten, ließen sich auch ohne regeln. Als Beispiele nannte er Religionsunterricht, die Ausbildung von Religionslehrern und -lehrerinnen, Besetzung von Rundfunkräten und die Teilnahme an Klassenfahrten und Schwimmunterricht - letzteres ist nach seiner Beobachtung aber ein geringeres Problem, als Medienberichte den Eindruck erweckten. Auch Friedhöfe und Bestattungen nach islamischem Ritus seien in den Kommunen oft schon geregelt - so auch in Bremen. Helfen könnte ein Vertrag, wenn es darum geht, die muslimischen Vereine als Träger der freien Jugendhilfe anzuerkennen, die infolge dessen öffentliche Gelder beantragen können.

Noch einfacher wäre dies über eine Körperschaft öffentlichen Rechts, was Oebbecke als "de luxe Version" aller Organisationsformen bezeichnete, weil sie die größtmöglichen Freiheiten und Rechte einräume. Unter anderem erlaubt sie den Kirchen, Steuern zu erheben - was für die Muslime kein Thema ist. Ausgerechnet der Bremer Verband, der die Verhandlungen derzeit am erfolgreichsten vorantreibt, die Schura, erfüllt nach Einschätzung von Oebbecke aber nicht die Voraussetzungen für die Gründung einer Körperschaft. Das Problem: Sie besteht nicht lange genug, erst seit drei Jahren. Oebbecke sprach sich dafür aus, die Verbände VIKZ, Ditib und Schura gleich zu behandeln und sicherzustellen, dass auch Neuankömmlinge in einen Vertrag aufgenommen werden können.

Oebbecke warf die Frage auf, wie das Parlament bei der Vertragsgestaltung beteiligt werde - was auch die migrationspolitische Sprecherin der Grünen, Zahra Mohammadzadeh sehr interessierte. "Wie weit sind Sie eigentlich?", wollte sie von dem Senatskanzlei-Mitarbeiter Helmut Hafner wissen, der gemeinsam mit seinem Chef, Bürgermeister Jens Böhrnsen, die Verhandlungen führt. Die Abgeordneten von Linkspartei und FDP schlossen sich im Gegensatz zum SPD-Vertreter Mohammadzadehs Einschätzung an, dass der Vertrag bald geschlossen werden könne. Hafner wies darauf hin, dass man am Anfang stünde und die Gesellschaft für einen Vertrag - er spreche lieber von "Vereinbarungen" - nicht reif sei. "Es gibt noch zu viele Ängste vor Muslimen." Zeitnah gelöst werden müsse das Problem, so Hafner, dass die muslimischen Vereine im Gegensatz zu Kirchen und Verwaltung kein Geld für ihr Engagement bekommen.

Der Jurist Oebbecke gab zu bedenken, dass er bessere Bedingungen für einen erfolgreichen Vertragsabschluss als in Bremen nirgends sehe. Weder seien die Muslime in den anderen Bundesländern so gut organisiert, noch sei die Bereitschaft aufeinander zu zu gehen, so groß wie hier. "So etwas wie heute Abend habe ich noch nie erlebt."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

8 Kommentare

 / 
  • D
    dosso

    Das kommt dabei heraus, wenn Juristen Religionspolitik machen und jede inhaltliche Bewertung des Islam, seiner politischen Zielvorgaben und Praktiken hintanstellen. Genauso gut könnte die Errichtung eines AKW rein nach dem Baurecht bzw. gemäß der Flurordnung betrieben werden. Bei den AKWs sind wir gottlob inzwischen weiter... Die schiitische Grüne Migrationspolitikerin ist grünenseitig Türöffnerin für die Orthodoxie, der keiner - u.a. aus Mangel an Kenntnissen - zu widersprechen wagt. Was sagen die aufgeklärten Musliminnen Ates, Kelek, Senocak, Tibi usw. eigentlich zum Thema Staatsvertrag? Wurden die schon mal dazu befragt?

  • KK
    Karl Kees

    Zitat:

    "Ein Staatsvertrag mit Muslimen ist aus rechtlicher Sicht unproblematisch. Das erklärte am Donnerstagabend Janbernd Oebbecke, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Münster"

     

    Bei diesem Verein ist die Sache aber sehr fraglich:

    http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20001219_2bvr150097.html

  • ES
    egon sunsamu

    Sicher werden auch Staatsverträge mit Katholiken, Protestanten, Hindus, Buddhisten, Atheisten und Scientologen vorbereitet. Oder sollen nur Muslime immer eine Extrawurst bekommen????

  • M
    Marlies

    Eine gute und wichtige Entscheidung,aber es muß absolut vermieden werden, daß die Scharia mit Steinigungen, Beschneidung von Mann und Frau, Hände abhacken, Kehlen von Ungläubigen durchschneiden, Vergewaltigung von Nichtmuslima außen vor bleibt. Ich hoffe, der Staatsvertrag mit den Muslimen berücksichtigt dass, denn dann kann auch getrost die Linke und alle friedliebenden Menschen den Islam zum Gesetz machen !

  • TS
    The Stiffmaster

    Wieso werden eigentlich grundsätzlich Extrawürste für Muslime gebraten? Es gibt keine Staatsverträge mit Quäkern, Juden oder griechisch/russisch orthodoxen etc. Was nehmen sich die Muslime heraus grundsätzlich als Gruppe mit Sonderechten behandelt zu werden?

  • DI
    Das ist nicht zu fassen!!

    "Zeitnah gelöst werden müsse das Problem, so Hafner, dass die muslimischen Vereine im Gegensatz zu Kirchen und Verwaltung kein Geld für ihr Engagement bekommen."

     

    Das Bundesland Bremen ist verschuldet bis zur Halskrause, aber das hält die Verantwortlichen nicht davon ab, schon wieder weitere Gelder der Steuerzahler für Projekte zu veranschlagen, die sich dieser finanziell bankrotte Stadtstaat schlichtweg gar nicht leisten kann. Meine Güte, das ist nicht zu fassen!!

     

    Freundliche Grüße nach bremisch Utopia - und gute Besserung

  • S
    Sonntagsschreiber

    Wenn die islamischen Verbände möchten, dass der Islam als Religion in Deutschland anerkannt wird, müssen sie sich die Mühe machen, ihn als Körperschaft des öffentlichen Rechts eintragen zu lassen. Dazu muss eine Enquete-Kommision des deutschen Bundestags vorher alle Glaubensinhalte auf Verfassungskonformität prüfen. Ich weiss schon jetzt, was dabei herauskommt: ein Verbot. Dies wissen alle Vertreter der Islamverbände auch, daher versuchen sie den Islam durch politische Ränkespiele, mediale und öffentliche Präsenz durch die Hintertür einzuführen.

    Hier einige lesenswerte islamkritische Texte eines Marxisten (auch für TAZ-Redakteure zu empfehlen)

    http://www.hintergrund-verlag.de/index.html

  • M
    Martin

    "PolitikerInnen"? Das ist aber schlechtes Deutsch!