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Archiv-Artikel

Inszenierte Aufregung

betr.: „Die SPD in der Beck-Krise“, taz vom 4. 3. 08

Es ist das Lager der „neuen Mitte“ innerhalb der SPD, das jetzt die Moral bemüht und die Glaubwürdigkeit beschwört. Von dieser Seite wurde die letzten Jahre ziemlich barsch, ohne diskursive Verständigung, mit williger Unterstützung der Eliten und unter weitgehender Gleichschaltung der Medien eine Politik gegen große Teile der Bevölkerung gefahren.

In vordemokratischer Manier wurde für sich eine höhere Einsicht in das scheinbar Notwendige reklamiert, Kritiker als „Heulsusen“ oder sonst was tituliert und Skeptikern die nötige Kenntnis zur Beteiligung an der Res publica abgesprochen. Die Ergebnisse aus dem Agieren dieser politischen Kaste sind bekannt: ein erschreckend höheres Maß an Ungleichheit, eine zerbröselnde gesellschaftliche Mitte mit Zukunftsängsten weit in bürgerliche Kreise hinein, ein in hohem Maße unsicherer gewordener Arbeitsmarkt, eine marode daniederliegende öffentliche Daseinsfürsorge etc.pp. Mit derselben Haltung, mit der die grandiose Umverteilungspolitik von unten nach oben betrieben wurde, wird nun dem Souverän entgegengetreten. Wenn der schon blöd genug ist, die Linken zu wählen und Pattsituationen zu schaffen, dann muss man sich ihm mit „Standfestigkeit“ entgegenstellen.

Aber doucement – die Aufregung – in der SPD, in den anderen Parteien, in den Medien – ist neben einem realen Kern auch eine inszenierte. Der Wille zur Macht wird alles regeln. Darauf darf man sich verlassen. Doch den neuen Machtzirkeln wird mit großer Wahrscheinlichkeit die Kaste der „neuen Mitte“ nicht mehr angehören. Deren Zeit ist vorbei, deswegen ist der Abgesang auch so heftig.

HANS GÜNTER GREWER, Saarbrücken