Infotag zu Lehrstellen: Der verpasste Chancentag
Die IHK informiert über Lehrstellen. Die Angesprochenen machen sich rar. Weil es weniger Jugendliche gibt. Und weil die noch im Schulstress sind.
"Es ist erschütternd. Letztes Jahr quoll es hier förmlich über von Interessenten, und dieses Jahr? Knapp 20", klagt Christof von Knobelsdorff. Auch auf der Hotline, die an dem Tag freigeschaltet war, gab es am Montag nur 60 Anfragen. Der Leiter für Aus- und Fortbildung in der Industrie- und Handelskammer (IHK) hatte mehr Interesse am diesjährigen "Tag der Ausbildungschance" erwartet. Der sollte Jugendliche über Lehrstellen informieren. Allein die IHK hat derzeit über 1.000 im Angebot.
Die geringe Nachfrage liege zum einen an der demografischen Entwicklung, erklärt von Knobelsdorff. Im Ostteil der Stadt war die Geburtenrate nach dem Mauerfall um rund 50 Prozent gesunken. Heute verlassen die damals geborenen Jahrgänge die Schulen. Zudem suchen deutlich weniger Jugendliche aus dem Umland einen Ausbildungsplatz in Berlin. Die Lehrstelleninitiative "Machs in Brandenburg" scheine zu fruchten, sagt von Knobelsdorff. Der Lehrstellenmarkt hat sich auch dadurch in Berlin entspannt.
Laut Arbeitsagentur haben sich in diesem Jahr rund 13.000 Schulabgänger gemeldet. Dem stehen rund 10.000 Ausbildungsplätze gegenüber. Davon wiederum seien aber etwa 1.250 rein schulisch, also nicht in Betrieben, sagt Daniel Wucherpfennig, Jugendsekretär des DGB-Landesverbandes. "Schulische Ausbildungen sind bei den späteren Arbeitgebern leider nicht sehr beliebt", sagt Wucherpfennig. Nach seiner Rechnung fehlen daher immer noch über 4.000 betriebliche Lehrstellen.
Der "Tag der Ausbildungschance" der IHK müsste folglich großes Interesse finden. "Doch viele Schüler stecken noch in ihren Abschlussarbeiten", sagt Wucherpfennig. "Die wissen gar nicht, ob sie durchkommen."
EBRU TASDEMIR
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