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In den USA ist die „middle-class“ inzwischen in der Minderheit. In Berlin haben wir nur an Weihnachten vor ihr RuheTreten und zwinkern

Foto: Stefan Bones

Mittelalter

von Ambros Waibel

Warum ist es in Berlin rund um Weihnachten so schön? Weil die Mittelklasse in Bonn, Freiburg oder Bremen bei den Eltern unterm Bäumchen sitzt.

Was man zunächst einfach mal feststellt, etwa wenn es an den Cineplexkassen am ersten Feiertag nachmittags so leer ist wie in München nicht zur Frühvorstellung, kann man anhand der Untersuchung „Sinus-Milieus in der Bundesrepublik“ wissenschaftlich abgleichen.

Wer fehlt denn da genau? Sind es die „Sozialökologischen (7% der Gesamtbevölkerung), angesiedelt am oberen Rand der „Mittleren Mittelschicht“? Unbedingt. Sie fehlen praktisch komplett!

Aber auch die „Performer“ (7%), die Expeditiven (6%) und nicht zuletzt die „Adaptiv-pragmatischen“ (9%) – sie verstellen einem nicht mehr die Sicht auf das, was Berlin noch immer ausmacht: Armut und Hässlichkeit; oder positiver gedreht, der Verzicht auf Aufgemotztes, auf Chichi, auf Yogamatten, auf Lilly und Emma, Lukas und Luis an der Biomarktkasse. Was bleibt sind die „Prekären“ (9%) auf ihrem Kreuzweg zu Netto sowie die „Traditionellen“ (Unterschicht/Untere Mittelschicht, 15%) und die „Bürgerliche Mitte“ (14%) auf ihrer Reise zu Roncalli.

In den Vereinigten Staaten, teilte diesen Monat eine in deutschen Medien unbeachtet gebliebene Studie mit, ist die „middle class“ neuerdings eine Minderheit. Woran das liegt?

Der wichtigste Grund ist, dass die höheren und höchsten Klassen ihren Anteil am Nationaleinkommen von 29% unter dem weisen und guten Präsident Nixon auf heute 49 % gesteigert haben. Der Anteil der Armen blieb stabil bei 10%, die Mittelklasse ist von 62 % unter Nixon auf 42 % unter Obama abgestürzt. Und wer stürzt, der ist unsicher. Der tritt nach unten.

In unserer kleinen Zeitung zum Beispiel in ihrer letzten Kolumne Silke Burmester auf die „isch-kann-Sonnenbrille-Haftbefehl-Schwachmaten“.

Von denen dachte die Kollegin, dass „wir alle“ über sie lachen: „weil an allen Ecken und Enden zu kurz gekommen“; weil „zu wenig Sauerstoff unter der Geburt“; weil – um mal ganz militärisch-klar die Grenze zwischen Unterschicht und unterer Mittelschicht zu ziehen –„zu wenig Erziehung, zu wenig Bildung“.

Ja. Hm. Zu wenig Sauerstoff? Zu wenig Bildung? Ablachen über Prolls? Wie ist dieser Humor? Vielleicht so mittel klasse? Aber Silke Burmester kann ja auch ganz anders.

Nach oben hin, zum Stern, wird Kritik augenzwinkernd adressiert, an einen „ansonsten sehr geschätzten Kollegen“ nämlich, dem kess mit der Bratpfanne gedroht wird, falls er aus dem Machojahr 1986 den Weg nicht in die Gegenwart finden sollte. Auf weitere gute Zusammenarbeit, beziehungsweise: „Bis dahin ist aber erst mal Pause“!

So schließt die deutsche Mittelstandskolumne. Vor meinem Berliner Fenster sind die freien Parkplätze an diesem 29. Dezember auch schon wieder weniger geworden. Er war nie ganz weg, aber jetzt ist der Mittelstand definitiv back.

Und wird zur Strafe von den prekären Isch-Kids drei Tage lang mit Raketen und Böllern beschossen.

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