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■ In Sachen Tucholsky gibt Volker keine RüheBeiboote sind Mörder

1995 war das „Soldaten sind Mörder“-Jahr. Das Jahr, in dem sich das Bundesverfassungsgericht endlich zu der Entscheidung durchrang, daß das Wiederholen des Tucholsky-Zitats nur in Ausnahmefällen strafwürdig ist. Kaum war der Spruch des höchsten Gerichts gefallen, kaum war die umfangreiche Pro & Contra-Berichterstattung abgeebbt, da wurde es vielen Vaterlandsverächtern verständlicherweise schon wieder langweilig.

Legal = egal. „Soldaten sind Mörser“, dichtete eine Kollegin. „Soldaten sind Mörtel“, ergänzten engagierte Leser – da waren Möhren und Möbel nicht mehr weit. Und als am 20. Dezember der erste Bundeswehrsoldat beim Herunterlassen eines Bootes in der Adria starb, kam gleich die Abwandlung „Beiboote sind Mörder“ auf.

Karlsruhe macht kreativ – und doch bleibt das Original wichtig. Beispielsweise, weil Bundespräsident Roman Herzog (CDU) auf der jüngsten Kommandeurstagung behauptete: „Die Soldaten der Bundeswehr sind keine Mörder.“ Sogar die Grünen mögen inzwischen ihren Tucholsky nicht mehr so recht: „Wir lehnen ,Mörder‘- Rufe gegen Soldaten der Bundeswehr ab“, verkündete das grüne Mitglied des Verteidigungsausschusses, Winfried Nachtwei, nach dem großen Jubiläumszapfenstreich in Bonn.

Auch wird die deutsche Armee keineswegs müde, das Aussprechen der mörderischen Wahrheit weiter zu verfolgen. So etwa ein ironisches Plakat, das der Eigenwerbung der Bundeswehr nachempfunden ist: „Ja, Morden“ steht drauf statt „Ja, Tapferkeit“. Wegen dieses Plakats werden nicht nur die Initiatoren von der Berliner Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär von der Bundeswehr mit Rechtsstreit überzogen.

Auch der Asta der Technischen Universität, die taz und die Tageszeitung Junge Welt sollen wegen Veröffentlichung beziehungsweise Kommentierung des Plakats vor den Kadi. Dabei steht unter der Überschrift „Ja, Morden“ nur schlicht, daß „Menschen zu töten zur Tradition von (deutschen) Armeen“ gehöre. Auf „Tradition“ beruft sich die Bundeswehr immer wieder – will aber nicht wahrhaben, daß Tucholskys Zitat Vorbilder hat, von Laotse über Voltaire bis Goethe. Auch haben Friedrich der Große und der Generalfeldmarschall von Hindenburg die Menschenschlächterei nicht so brutal verharmlost, wie es Rühe und Co. gerne tun. Früher ging es weniger verlogen zu, daran sollte man die Helmträger blaugrün erinnern.

So schrieb etwa der Herresreformer und spätere preußische Kriegsminister, Gerhard von Scharnhorst, im Jahre 1807 an den späteren Generalfeldmarschall Gebhard von Blücher: „Blutiger ist keine Schlacht in diesen letzten Kriegen oder vielmehr seit der bei Zorndorf gewesen. – Man erwartet nun die russischen Verstärkungen, welche jetzt herankommen, und dann geht es wieder ans Morden.“

Und Georg Heinrich von Berenhorst meint in seinen „Betrachtungen über die Kriegskunst“ (1827): „Spieße nicht von ungeheurer, sondern von mäßiger Länge, in der anständigen Kunstsprache Piken genannt – deren schäme ich mich im geringsten nicht; sie sind zuverlässig die einzige Waffe der mordenden Menschheit, tauglich einem Haufen Fußvolk (...) Kraft und auch Haltbarkeit gegen Reiterei zu geben; es kommt nur darauf an, Mittel zu finden, welche Pike und Kugelbüchse glücklich verbinden, ohne sie zu vereinen.“ Glückliche „mordende Menschheit“ – an den O-Ton kommt kein Tucholsky ran. Hans-Hermann Kotte

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