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■ In Italien zeichnet sich eine düstere Perspektive abEin Pyrrhussieg der Linken

Italiens sogenannte „fortschrittliche Kräfte“ triumphieren: Die Koalitionen um die „Partito democratico della sinistra“ (PDS), die von der Antimafiabewegung „la Rete“ über die Grünen und den Großteil der industrienahen Republikaner bis zum linken Flügel der zerfallenen Democrazia cristiana und der Sozialisten reichen, haben ihre Kandidaten bei den Stichwahlen fast überall ins Bürgermeisteramt gehievt. Doch ein genauerer Blick auf die Ergebnisse der zweiten Runde der Kommunalwahl und vor allem auf die vor vierzehn Tagen gewählten Gemeinde- und Stadträte zeigt, daß zum Siegesgeschrei nicht der geringste Anlaß besteht.

In Norditalien ist die sezessionistische „Liga“ überall stärkste Partei geworden. Sie stellt in zwei Dritteln der Lombardei, Piemonts und Venetiens den Bürgermeister, und selbst in den oberitalienischen Großstädten, wo sich Kandidaten der „Fortschrittlichen“ durchgesetzt haben – Genua, Venedig, Triest –, heimste die „Liga“ bis zu 40 Prozent Wählerstimmen ein. In Mittel- und Süditalien wiederum ist auch dort, wo die Kandidaten um die PDS die Nase vorne hatten, etwa in Rom und Neapel, die neofaschistische MSI mit Abstand stärkste Partei geworden, mit Anteilen von 30 Prozent und darüber. Nahezu nirgends erreicht die PDS auch nur 20 Prozent.

Dazu kommt, daß die Erfolge bei den Stichwahlen durchweg eher dünn bis hauchdünn waren – gerade 53 Prozent fuhr der von der breitesten aller Allianzen getragene Francesco Rutelli in Rom ein. Nimmt man hinzu, daß die Nichtwähler bei mehr als einem Viertel lag, hat die „Linke“ selbst bei den auf eine einzige Alternative reduzierten Stichwahlen nicht einmal 40 Prozent der Wahlbürger überzeugen können.

Doch die größte Gefahr droht den „Fortschrittlichen“ bei den für das Frühjahr anstehenden Parlamentswahlen – wo es dann wirklich „ernst“ wird – von da, wo diesmal nichts war: von der „Mitte“. Bei den Wahlen am Sonntag hatten die PDS und ihre Alliierten einen sozusagen „leichten“ Gegner – eine extremistische Partei. Deren Erfolge beim ersten Wahlgang haben die Lira bereits in neue Tiefen stürzen lassen, was viele, die mit der Linken sonst wirklich nichts am Hut haben, dazu gebracht hat, Kandidaten der „Fortschrittlichen“ zu wählen. Derzeit formieren sich jedoch mehrere Gruppierungen sogenannter „moderater“ Ausrichtung. Und die werden keineswegs nur, wie von der Linken gehofft, den Neofaschisten wieder viele Stimmen abnehmen. Sie werden vielmehr auch einem Großteil derjenigen eine Alternative geben, die sich diesmal nolens volens „fortschrittlich“ orientiert haben, um „ganz rechts“ zu vermeiden.

Die daraus resultierende Situation könnte eine Art politischer GAU werden. Es droht das Gespenst der Unregierbarkeit: 25 bis 30 Prozent für die „Liga“ im Norden und ebensoviel für die Neofaschisten, beide – bisher jedenfalls – nicht koalitionsfähig, und dazwischen die „Moderaten“ und „Fortschrittlichen“ mit jeweils unter 20 Prozent und damit auch nicht regierungsfähig. Werner Raith

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