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Afrika

Impfdosen gegen das Coronavirus Gesundheitsbehörden im Dilemma

Wegen des Unwillens vieler Algerier, sich impfen zu lassen, drohen Millionen von Impfdosen zu verfallen.

von Redha Menassel

Seitdem es Impfstoffe gegen das Coronavirus gibt, werden die algerischen Behörden massiv dafür kritisiert, dass sie es versäumt haben, rechtzeitig Impfstoffe zu bestellen. Die Algerier:innen mussten hilflos zusehen, wie andere afrikanische und arabische Länder ihre Impfkampagnen starteten und konnten die Untätigkeit der Behörden ihres Landes nicht verstehen.

Heute hat sich die Situation grundlegend geändert. Die algerischen Gesundheitsbehörden stehen vor einem Dilemma: Was tun mit den 13 Millionen Impfstoffdosen, die offenbar niemand haben will?

Um die aktuelle Situation zu verstehen, muss man einige Monate zurückgehen: Algerien hat seine Impfkampagne offiziell am 29. Januar 2021 gestartet. Die Kampagne begann in einer Poliklinik in Blida, einer der Städte, die am stärksten von der Coronavirus-Epidemie betroffen waren. Der russische Impfstoff Sputnik V war der erste Impfstoff, von dem Algerien 50.000 Dosen erwarb, gefolgt von dem chinesischen Sinopharm-Impfstoff einige Monate später.

Schüchterner Start der Impfkampagne

Drei Gruppen wurden ausgewählt, um das wertvolle Serum zuerst zu erhalten: Pflegekräfte, ältere Menschen und Menschen mit chronischen Krankheiten. Der Rest der Bevölkerung konnte sich erst Wochen später impfen lassen. „Das ist ein schüchterner Anfang und kommt sehr spät“, sagten algerische Gesundheitsspezialisten, die die Behörden seinerzeit dafür kritisierten, dass sie die Impfstoffe nicht schon früher bestellt hatten.

Aufgrund der starken internationalen Konkurrenz hatte Algerien zunächst tatsächlich enorme Schwierigkeiten, die bei den Russen und Chinesen bestellten Dosen zu erhalten. Doch dann änderten sich die Dinge grundlegend: Vom Impfstoffmangel zu Beginn des Jahres hat sich die Lage innerhalb von neun Monaten so entwickelt, dass es aufgrund der mangelnden Bereitschaft der Algerier, sich impfen zu lassen, ausreichend Impfdosen gibt.

Den jüngsten offiziellen Zahlen zufolge wurden bis Ende November 2021 rund elf von vorgesehenen 20 Millionen Algerier:innen geimpft: Fünf Millionen erhielten eine vollständige Impfung (zwei Dosen) und sechs Millionen erhielten eine Einzeldosis. Mitten in der dritten Welle, die Algerien im letzten Sommer schwer traf, wurde ein Spitzenwert von 247.000 Geimpften pro Tag verzeichnet. Die Menschen drängten sich in den Impfzentren. Doch der Ansturm endete, als die Zahlen der Infizierten zurückgingen.

Bei einem momentanen Durchschnitt von lediglich 20.000 Impfungen pro Tag hat Algerien nun große Mengen an Impfstoff vorrätig, weil es nicht genügend Impfkandidaten gibt, und der erste, der dies bedauert, ist natürlich der Gesundheitsminister: „Wir haben derzeit 13 Millionen Dosen. Wir mussten sogar die Annahme mehrerer Impfstoffchargen verschieben. Einmal weil unsere Lagermöglichkeiten begrenzt sind. Und vor allem: Warum sollen wir mit weiteren Impfstoffen, wenn unsere Vorräte noch nicht aufgebraucht sind?“

Probleme bei der Kommunikation über das Coronavirus

Für die PR-Expertin Sara Nadia Mehchem ist der Fehler der Gesundheitsbehörden in erster Linie ein Kommunikationsproblem. „Die Behörden haben überall Botschaften veröffentlicht, um über das Coronavirus zu sensibilisieren. Wie man sich die Hände wäscht, wie man eine Maske richtig trägt. Experten drängelten sich in Radio- und Fernsehkanälen, um über gegenseitige Distanzierung zu sprechen. Das ist alles großartig und lobenswert. Aber man hat den Menschen nie richtig erklärt, was ein Virus überhaupt ist, wie ein Impfstoff funktioniert. Wir konnten die Ängste vor vermeintlichen Nebenwirkungen nie zerstreuen, und wenn wir es versuchten, geschah dies in einem wissenschaftlichen Jargon, der für normale Menschen unverständlich ist. Es wäre besser gewesen, die Bevölkerung in ihrer Alltagssprache anzusprechen.“

Die neue Strategie der algerischen Gesundheitsbehörden besteht darin, alle lokalen Strukturen zu mobilisieren und Impfstellen an verschiedenen öffentlichen Orten einzurichten. Auch religiöse Einrichtungen wie Moscheen und sogar einige private Apotheken wurden mobilisiert. Schließlich wurde eine mobile Strategie entwickelt, um auch die nomadische Bevölkerung zu erreichen. Die Behörden bereiten sich auf eine vierte Welle auch dadurch vor, indem sie versprechen, die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen.

Wir werden sehen, ob das ausreicht.

Übersetzt aus dem Englischen von Ole Schulz.