Immer mehr Werbung: Twitter als Reklameparadies
Bezahlte Blog-Postings gehören zu den unbeliebtesten Werbeformen. Nun kommen gekaufte Tweets hinzu: Gleich mehrere Firmen versuchen, Twitterer für ihre Botschaften zu nutzen.
Twitter hatte bislang das Glück, weitgehend spamfrei zu bleiben: Störte ein Nutzer des Kurznachrichtendienstes zu arg mit werblichen Botschaften, blockierte man ihn einfach. Doch in letzter Zeit nimmt das Problem unerwünschter Reklamebotschaften zu.
Gleichzeitig öffnen sich noch auf anderer Ebene die Schleusen: Gleich mehrere Firmen haben damit begonnen, ganz normale Twitter-User dafür zu bezahlen, ihre Reklamenachrichten zu verbreiten.
Hinter den Vorgängen steckt unter anderem der Gründer der Blog-Marketing-Firma "PayPerPost", die bereits zu den unbeliebtesten Werbevermarktern im Weblog-Sektor zählt: Sie zahlte Nutzern eine Summe X, damit diese möglichst nebenbei Produkte ihrer Kunden in ihren Netztagebuch erwähnten. Nur ein kaum wahrnehmbares "Ad" (Anzeige) im Text deutete darauf hin, dass es sich hier nicht um eine Meinungsäußerung, sondern um bezahlte Werbung handelte.
Bei Twitter werden nun einzelne Nachrichten gesponsert. Das Unternehmen Ad.ly bezahlt für den Zugriff auf die 50.000 Follower eines Nutzers schon mal ein paar Hundert Dollar. Laut einem Bericht der "New York Times" sollen einzelne Twitterer so auf ein hübsches Sümmchen im Monat kommen. Sie würden bezahlt, um Knöpfchen zu drücken.
Wer keinen Vermarkter findet, der Tweets direkt bezahlt, kann anderweitig Geld verdienen: Durch die Nutzung von so genannten Affiliate-Links. Seit November erlaubt etwa der E-Commerce-Riese Amazon, solche Verknüpfungen auch in Feeds unterzubringen. Erwähnt ein Twitterer dann beispielsweise seine Lieblingskamera, werden seine Freunde direkt auf die Kaufseite geführt. Kommt es zum "Sale", fliest ein bestimmter Prozentsatz an den Twitter-Werber zurück.
Es dürfte interessant werden, ob sich die Kommerzialisierung negativ auf die Nutzerzahlen bei Twitter auswirkt. Schon jetzt scheint sich nach dem ganz großen Hype das Interesse an dem Kurznachrichtendienst zu verringern - oder, je nach Statistik, gar deutlich zurückzugehen.
Laut Zahlen des Analysedienstes Nielsen eMarketer gab es nach spektakulärem Wachstum im Frühjahr eine Verlangsamung im Sommer. Nun, zwischen September und Oktober 2009, seien bis zu 27,8 Prozent der "Unique Visitor", also der eindeutigen Besucher, von Twitter.com abgesprungen. Die Zahlen des konkurrierenden Analysehauses Comscore sind mit einem Minus von 8,1 Prozent im Oktober etwas weniger dramatisch, deuten aber darauf hin, dass der Rückgang keine statistische Anomalie ist.
Auch Compete.com, der dritte in Amerika viel beachtete Internetverkehrsmesser, sah weniger Nutzer bei Twitter.com – allerdings nur 2,1 Prozent. Die eindeutigen Besuche sehen die Analysehäuser im Oktober zwischen 18,9 und 23 Millionen. Deutlich verzerrt wird die Statistik allerdings dadurch, dass derzeit noch nicht erfasst wird, was außerhalb von Twitter.com stattfindet – dazu gehören Nutzungsvorgänge über Twitter-Programme auf iPhone, Blackberry und Co. oder die Nutzung per SMS. Da Twitter sehr stark mobil genutzt wird, dürfte dies viele Millionen Nutzungsvorgänge umfassen.
Für das Twitter-Management spielt das kontinuierliche Wachstum des Dienstes eine entscheidende Rolle, denn dieses gilt als Bewertungsgrundlage für die Zukunft Nach wie vor verdient die Firma nur wenig Geld – einzige (in ihrer Summe bislang unbekannte) Einnahmequelle ist der Verkauf des Zugriffs auf die Twitter-Feeds an Google und Microsoft Bing zwecks Suchmaschinen-Indexierung.
Die Werbevermarktung soll genauso wie Premium-Dienste für Unternehmen erst noch kommen. Trotzdem denkt Twitter bereits laut über einen Börsengang nach. Wie Firmengründer Biz Stone am Montag sagte, sei es durchaus denkbar, dass dies zum "Exit" für die Investoren werden könnte, die mehr als 100 Millionen Dollar in das Unternehmen gesteckt haben.
Nächstes Jahr wolle man sich aber zunächst aufs Geldverdienen konzentrieren. "2010 wird das Jahr der Umsätze", so Stone. Er könne zwar nicht sagen, ob man dann sofort profitabel werde, "aber dafür haben wir noch genug Zeit". Twitter wird Analysten zufolge aktuell mit rund einer Milliarde Dollar bewertet – für Internet-Firmen mit vielen Nutzern keine ungewöhnliche Zahl, für Außenstehende jedoch kaum verständlich, weil die realen Einnahmen fehlen.
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