■ Im Wechselschritt vom Ich zum Du: Die Tanzschule als Ort der Begegnung
Der Internationale Tanzlehrerkongreß, der vergangene Woche in Hamburg stattfand, steht ganz im Zeichen der Imagepflege. Denn Pflichtstation auf dem Weg in die Erwachsenenwelt wollen Tanzschulen schon lange nicht mehr sein.
In einer Zeit, in der immer weniger Interesse besteht, Standardtänze zu erlernen, muß sich der ADTV (Allgemeiner Deutscher Tanzlehrer-Verband) etwas einfallen lassen. Was liegt da näher, als das angesagte Medienthema Multimedia zu strapazieren. Wir erfahren, daß Tanzschulen der zunehmenden Vereinsamung im Zeitalter der „seelen- und gefühllosen Datenautobahnen“ entgegenwirken. Auch Tanzlehrer lesen also Neil Postmann. Pressesprecher Helmut Schäfer verrät das einfache Rezept der Kontaktaufnahme: „Der Rhythmus führt vom Ich zum Du.“
Relativ großen Zuspruch erfahren Tanzschulen von den „jungen Alten“. Befreit vom Druck des Berufslebens, aber dennoch fit, haben sie hohe Ansprüche an ihre Freizeitgestaltung. Diese sogenannten „Grey Dancers“ nutzen die Tanzschulen zunehmend als Orte der Geselligkeit.
Gebuhlt werden muß eher um die jüngere Generation. Dabei wird zweigleisig gefahren. An der Notwendigkeit, auch heute noch Walzer oder Foxtrott beherrschen zu müssen, wird kein Zweifel gelassen. „Zum Beispiel, wenn die Firma feiert. Wie will denn der junge Angestellte mit der Frau seines Chefs tanzen? Soll er mit ihr wie in der Disko übers Parkett hopsen? Könnte damit nicht vielleicht seine Karriere beendet sein?“ Ein Horrorszenario, findet Heiko Feltens, Präsident des ADTV. Andererseits wird konsequent die Öffnung hin zu neuen Trends betrieben. In den Schulen des Verbandes kann neuerdings Techno und HipHop erlernt werden. Daß man sich dabei durchaus Kompetenz erarbeitet hat, zeigt die Beschreibung jugendlichen Tanzverhaltens in einer Informationsbroschüre: „Und so stampfen sie den Rhythmus, reißen die Arme hoch und verbiegen ihre jungen Körper.“
Von der Pflege guter Umgangsformen will man aber dennoch nicht ablassen. Dafür wurde sogar eigens ein Arbeitskreis eingerichtet. Die Tips aus dieser Runde geben sich ebenfalls ganz zeitgemäß. So wird zum Beispiel geraten, Papierservietten nach ihrer Benutzung neben dem Teller abzulegen. Die frühere Empfehlung, sie zusammengeknüllt auf dem Teller liegenzulassen, ist somit ungültig, denn dadurch wird dem Personal die Mülltrennung erschwert. Geht in Ordnung, Du. Klaus Sieg
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