piwik no script img

■ Illegales Kirchenradio jetzt elf Jahre auf SendungEine Lizenz für Gottes Wort?

Breitenberg (taz) – Wenn die Menschen nicht mehr in die Kirche gehen, dann muß die Kirche eben zu den Menschen kommen. Dieser missionarischen Aufgabe fühlen sich Johan van den Brule, katholischer Pfarrer in dem niedersächsischen 1.000-Seelen-Dorf Breitenberg, und der Vorstand seiner Kirchengemeinde „Mariä Verkündigung“ verpflichtet. Mit einem selbstgebauten Mini-Sender, „einem Mittel unserer Zeit“, übertragen der gebürtige Niederländer und gelernte Radiomechaniker van den Brule und seine eifrigen Helfer seit elf Jahren gegen den erklärten Willen der weltlichen Obrigkeit Gottesdienste, Trauungen und Gebetsstunden live aus der Kirche in die Haushalte des Ortes. Jetzt haben der auch als „Don Camillo aus dem Eichsfeld“ firmierende Priester und seine Getreuen bei der neugegründeten Landesmedienanstalt in Hannover eine Sendefrequenz beantragt.

Staatsanwälte und Postfahnder sahen in dem Betrieb des gerade mal 0,2 Watt starken Kurzwellensenders stets einen klaren Verstoß gegen das Fernmeldeanlagengesetz. Logistisch unterstützt von auf den umliegenden Hügeln postierten Peilwagen, durchsuchte die Polizei insgesamt sechsmal die Breitenberger Kirche und die Wohnung van den Brules. Etliche Senderattrappen, oft nur nachlässig hinter dem Altar oder hoch oben im Gemäuer des Gotteshauses versteckt, wurden dabei beschlagnahmt. Und während der „Gottesfunker“, um die Durchsuchungstrupps zu foppen, aus Spielzeugautos ausgebaute Fernsteuerungen wie Ostereier in seinem Haus auslegte, setzten Aktivisten aus der Gemeinde das Radio immer wieder in Betrieb. Mehrfach mußte sich der sendungsbewußte Geistliche wegen seiner Schwarzfunkerei vor Gericht verantworten. Gegen seine Verurteilung zu einer Geldstrafe von 2.400 Mark zog er sogar bis vor das Bundesverfassungsgericht, das seine Beschwerde allerdings abwies. Vorübergehend stoppen konnte den Niederländer erst ein 1988 verfügtes Sendeverbot des Hildesheimer Bischofs Josef Homeyer. „Mit wirklich schlechtem Gewissen gegenüber den Alten und Schwachen in meiner Gemeinde“ gehorchte van den Brule seinem Dienstherrn. „Mit Ausnahme des einen oder anderen Weihnachtsgottesdienstes“, beteuert der Pfarrer, sei der Sender von ihm seitdem nicht mehr in Gang gesetzt worden. Die Übertragungen gingen trotzdem weiter – per Fernsteuerung. Wer sie in Gang setzt, davon hat van den Brule angeblich keine Ahnung.

Die Bitte um eine Frequenz, so Kirchenvorsteher Georg Borchard zu Wochenbeginn, sei keinesfalls ein Kuschen vor den Behörden. Vielmehr solle der elfjährige Kampf des kirchlichen Untergrundradios durch die Lizenzvergabe „von oben als Erfolg abgesegnet werden“. Die Aussichten, daß der über das katholische Generalvikariat eingereichte Antrag positiv beschieden wird, stünden gut, sagte Borchard weiter. „Man wird uns wohl zufriedenstellen wollen, nachdem wir die da oben so lange gepiesackt haben.“ Reimar Paul

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen