: “Ich scheiße auf die Autos“
■ Mehr TeilnehmerInnen als erwartet auf der Radtour Rostock-Bremen
Mit lautem Jauchzen, Nonstop- Klingeln, roten Wangen und trockener Kehle trafen sie gestern auf dem Bremer Marktplatz ein: Die 2500 RadlerInnen angeführt von „Janun“, der Jugend-Aktion Natur- und Umweltschutz Niedersachsens. In den vergangenen vier Tagen hatten sie eine Strecke von 350 Kilometern zurückgelegt, die von Rostock über Grevesmühle, Hamburg, Rotenburg bis nach Bremen führte.
„Es sind wesentlich mehr Leute gekommen als geplant“, freut sich der 24jährige Christoph Böning-Spohr, der Biologie und Geografie in Göttingen studiert. Auf seinem T-Shirt prankt mit roten Lettern: Ich scheiße auf die Autos. „Streckenweise waren wir statt 1.500 wie vorgesehen, über 3.000 Leute.“ Er selbst hat zwar einen Führerschein, benutzt ihn aber bereits seit drei Jahren nicht mehr, „außer bei einem Umzug und ähnlichen Geschichten“. Die 350 Kilometer seien für ihn überhaupt kein Problem, „voll easy“ gewesen.
Günter Wolk, 62 Jahre alt und Rentner, war da schon ein bißchen mehr geschafft. „Aber trotzdem hat es mir viel Spaß gemacht“, fügt er hinzu. Was ihm bei der Fahrt auffiel: „Anscheinend wird die Volkspolizei im Osten ziemlich wenig respektiert“. Zwischen Rostock und Grevesmühlen sei die Fahrradkolonne trotz Absprerrungen immer wieder von Autofahrern behindert worden. Günter Wolks Anliegen: „Ich wollte demonstrieren, daß man auch mit dem Fahrrad große Strecken zurücklegen kann, sogar mit Gepäck“.
Auch die 13jährige Nadine Manitzke aus Güstrow hat bis zum Schluß durchgehalten. Ihr Motiv: „Autos stinken, verpesten die Luft und machen unser tolles altes Schloß kaputt“. Am meisten beeindruckt hat sie, daß die ganze Fahrt ohne viel Organisation über die Bühne ging. „Alle Leute haben gemacht was sie wollten und trotzdem hat alles funktioniert.“
Daniela Großert, die in Leipzig Elektronik studiert, hat zum ersten Mal an so einer Fahrt mitgemacht. „Bei uns im Osten sind die Autofahrer den Radfahrern gegenüber ziemlich agressiv“, erzählt sie, „und außerdem gibt es kaum ausgebaute Radfahrwege. Dafür setze ich mich in der Leipziger Umweltorganisation 'Öko- Löwe' ein und deshalb habe ich auch an der Fahrt teilgenommen.“
Für ein Ja zum Fahrrad ohne wenn und aber ist auch „Janun". „Hat uns das Auto wirklich mehr Mobilität gebracht und unsere Lebensqualität erhöht?“, heißt es in einem Flugblatt. „Uns scheint nein.“ Mobilität sei doch das Erreichen eines Zieles in möglichst kurzer Zeit. „In den alten Bundesländern hat die Automobilisierung dazu geführt, daß die angesteuerten Ziele mit immer weiteren Wegen verbunden sind.“ Ihre Forderungen: Betriebe müssen auch auf dem Land gegründet, Eisenbahnverbindungen sollten verbessert und das öffentliche Busnetz ausgebaut werden. Unter dem Motto „Mobil ohne Auto“ sollte ein Zeichen gesetzt werden, gegen eine Verkehrspoliktik, die auf die Bedürfnisse der Automobilindustrie ausgerichtet ist.
Als krönenden Abschluß der Aktion, pflanzten die Veranstalter direkt vor dem Bürgerschaftshaus zwischen Pflastersteinen einen kleinen Baum. bz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen