: Ich bin müde, also Lagerfeuer
Im Ansatz frühlingslau, im Abgang furios: Die Bright Eyes spielten im Columbia Club
Dass Conor Oberst, Sänger und Liedschreiber der Band Bright Eyes, mit beiden Beinen tief im Country steht, in dieser Pferdeplanwagenmusik mit einfachem Harmonieschema, Bügelbrett (vulgär für: Pedal Steel Guitar) und Wehmut, war schon vorher klar. Seine Platten hatten immer mal wieder das Bügelbrett, immer jedoch diese Wehmut und diese durchgehend einfachen, nie aber platten Harmonieschemata.
Was die Bright Eyes allerdings so besonders machte, war ihre Fähigkeit, diese angejährte Musik in ein neues Licht, in ein neues Jahrtausend zu versetzen – mal mit elektronischen Mitteln („Digital Ash in a Digital Urn“), mal einfach so.
Am Montag wurde es im ausverkauften Columbia Club allerdings schwierig. Viele junge Frauen waren gekommen, die mit müder Altmännermusik nichts am Hut haben wollten. Sie waren wegen der Wehmut gekommen und wegen des Anblicks, den Oberst bietet. Und natürlich wegen der Platte „I’m Wide Awake, It’s Morning“ (2005), dem bisherigen Glanzstück im Werk der Bright Eyes. Was all diese jungen Menschen zu hören bekamen, war allerdings: nur selten wehmütige, oft seltsam ins Rockige hinüberkippende, grundsätzlich überinstrumentierte Lagerfeuermusik. Blass bleibende Nummern von der bald erscheinenden CD „Cassadaga“, einige kleinere Höhepunkte aus dem Backkatalog, ein einziges richtig schön verheultes Stück und nur zwei, drei Lieder von ebendieser Platte, wegen der alle gekommen waren. Ansonsten: Erwachsenenmusik von Erwachsenen, nur einen Stimmgerätweitwurf von Neil Young oder Peter Frampton entfernt.
Es standen einfach zu viele Leute auf der Bühne. Obersts Klampfe plus Bass und Schlagzeug hätten es getan. Eine reduziertere Instrumentierung hätte die schwächeren Stücke erstrahlen lassen. So aber griff der Bassist zu oft zur Fiedel (dabei sind Geigen auf der Bühne, sofern sie nicht im Ensemble auftreten, grundsätzlich ein Problem), während der zweite Gitarrist ausreichend für Bügelbrettgefühle sorgte, egal welches Saiteninstrument er anfasste. Ein weiterer Instrumentalist verschwand meist hinter einem Fender Rhodes und blies manchmal in eine Trompete. Nur gut, dass es die leider namenlos bleibende Schlagzeugerin gab. Was und wie sie spielte, sah sehr charmant aus, fast wie gerade erst gelernt, dabei aber perfekt, präzise und variabel, auch wenn sie sich allzu oft durch Standards klopfen musste.
Bei all dem Gewühle schaffte es Conor Oberst aber trotzdem, der Mittelpunkt des Bühnengeschehens zu bleiben. Klein, mager, mit glänzenden, schulterlangen schwarzen Haaren und präsenter Stimme gab er sein Bestes, die Menge bei Laune zu halten, auch wenn ihm bei den Zwischenansagen nicht viel einfallen wollte. Überhaupt wirkte er leicht verstrahlt. Das Konzert geriet angenehm kurz – etwas frühlingslau und durchwachsen, manchmal richtig langweilig. Das Publikum schien sich darin einig, klatschte aber trotzdem eine Zugabe herbei, die noch einmal alles herausreißen sollte.
Und die Bright Eyes gaben erst einen „Old Soul Song“, dann spielte Dave Dondero, der Mann aus dem Vorprogramm, einen launigen „California Blues“, bevor man gemeinsam zu einem unerwartet furiosen Finale aufbrach: aufdrehen, durchdrehen, abdrehen, jetzt plötzlich alles in fünf Minuten. Conor Oberst drosch auf seine Gitarre ein und stieg schließlich aufs Schlagzeug. Danach gingen die Lichter an. Sie waren zwar hell, aber wie Feuer gebrannt haben sie nicht. Doch kein Grund zum Grämen: Es ist Frühling, und Art Garfunkels „Brights Eyes“ am selben Abend im Tempodrom können unmöglich besser gewesen sein.RENÉ HAMANN