piwik no script img

Archiv-Artikel

ITALIEN: WAHRE KRISEN STEHEN DER REGIERUNG PRODI ERST NOCH BEVOR Blankoscheck auf Zeit

„Keine Alternative“ sieht Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano zu dem Beschluss, Regierungschef Romano Prodi noch eine letzte Chance einzuräumen. Schon diese Worte verraten, dass die superschnelle Bereinigung der Regierungskrise in Rom – nicht einmal 72 Stunden dauerte sie – alles andere als ein Zeichen für die Stabilität der Mitte-links-Koalition ist. Noch bei Ausbruch der Krise, unmittelbar nach Prodis Abstimmungsniederlage im Senat am Mittwoch, hatte Napolitano ganz anders geklungen. Da hatte er kategorisch gefordert, die Koalition müsse sich „geschlossen“ und „mit einer klaren Mehrheit“ präsentieren.

Den ersten Punkt hat Prodi anscheinend bravourös erledigt – mit einem der Koalition, vorneweg dem radikal linken Flügel aufoktroyierten 12-Punkte-Programm. Schreckstarr angesichts der drohenden Rückkehr Berlusconis haben alle Parteichefs brav unterschrieben. Das wahre Problem ist damit jedoch nicht aus der Welt: Die Allianz reicht nun einmal von Kommunisten zu Christdemokraten. Um deren Positionen auf einen Nenner zu bringen, reicht es kaum, einen „neuen Geist“ zu beschwören und sich mit dem 12-Punkte-Plan einen Blankoscheck unterschreiben zu lassen.

Dies gilt erst recht, weil eine sichere Mehrheit für Prodi nicht in Sicht ist. Zwar darf der Ministerpräsident sich freuen, dass die Partei des früheren Christdemokraten Marco Follini zu ihm gestoßen ist, doch diese Partei ist eine One-Man-Show. Eine Stimme Zuwachs im Senat mag jetzt womöglich für den Sieg bei der Vertrauensabstimmung genügen. Dass die Abstimmung wohl erst am Donnerstag stattfinden wird, weil einer der greisen Prodi-treuen Senatoren auf Lebenszeit noch mit Schnupfen im Bett liegt, zeigt, auf welch dünnem Eis Prodi sich auch in Zukunft bewegen wird.

Kaum jemand in Rom schließt deshalb Wetten auf den Fortbestand der Regierung Prodi ab. Die wahren Proben kommen mit der im März anstehenden neuen Afghanistanabstimmung und mit der Rentenreform. Erst dann wird sich zeigen, ob Prodis Partner den gerade gezeichneten Blankoscheck auch einlösen werden. MICHAEL BRAUN