ISRAEL: DER PROTEST DER LUFTWAFFENPILOTEN IST ELITÄR : Rückzug in moralischer Stärke
Die Piloten der israelischen Luftwaffe gelten als Creme de la Creme der gesamten Armee, als ein geschlossener jüdischer Kreis, von einem einzigen arabischen Israeli einmal abgesehen. Frauen schafften es bisher gerade einmal bis zur Navigatorin, und auch dies gelang nur wenigen. Es sind die Söhne der gebildeten, sozial besser gestellten Familien zumeist europäischer Herkunft, denen der Sprung auf den Sitz in einem F-16-Kampfflugzeug oder einem Apache-Hubschrauber gelingt.
Dass der Protest gegen die Mordflüge auf palästinensische Aktivisten gerade aus ihren Reihen kommt, ist wenig überraschend. Das israelische Bildungsbürgertum gehört traditionell ins linke politische Lager. Für die Regierung ist das nicht minder schmerzlich, denn der Protest mag Folgen haben: Wenn schon die Spitze ins Zweifeln gerät, könnte auch der einfache Fußsoldat ins Grübeln geraten. Dazu darf er sich allerdings nicht vom Alleingang einer elitären Gruppe ausgeschlossen fühlen. Ein alle Waffengattungen einbeziehender Protest hätte zweifellos mehr Erfolg versprochen.
Noch sind nur neun aktive Soldaten von einem Prozess vor einem Militärgericht bedroht. Dass ihre Sorge unschuldigen Opfern auf der gegnerischen Seite gilt und nicht den eigenen Kameraden, die durch Anschläge ums Leben kommen, kann sich als Stärke des Protestes herausstellen. Als der damalige Premierminister Ehud Barak vor drei Jahren die Truppen aus dem Südlibanon zurückberief, reagierte er auf die Stimmung in der Bevölkerung, die dem sinnlosen Tod der israelischen Soldaten dort nicht länger tatenlos zuschauen wollte.
Damals war es den Müttern von Soldaten innerhalb weniger Monate gelungen, eine deutliche Mehrheit in der Bevölkerung für den einseitigen Abzug zu gewinnen. Dabei war er mit Blick auf die kurz darauf beginnende Intifada vermutlich strategisch falsch. Die Hisbullah-Kämpfer im Südlibanon hatten den Palästinensern „bewiesen“, dass die israelische Armee zu schlagen ist. Jetzt aber könnte ein Rückzug nicht aufgrund militärischer Schwäche, sondern aus moralischer Stärke ein völlig anderes Zeichen setzen. SUSANNE KNAUL