IRAK-UNTERSUCHUNGEN: DIE ZEIT ARBEITET FÜR BUSH, ABER GEGEN BLAIR : Neue Fragen, neue Lügen
Die Untersuchung über das irakische Waffenarsenal, die der britische Premierminister Tony Blair gestern angekündigt hat, beginnt mit einer neuen Lüge. Die Regierungen in Washington und London hätten im Hinblick auf diese Untersuchung eng zusammengearbeitet, behauptete Blairs Pressesprecher. Das haben sie nicht: Wie beim Angriff auf den Irak, so hat US-Präsident George Bush auch diesmal die Richtung vorgegeben.
Nachdem Blair ihm in den Krieg gefolgt ist, kommt er von Bush nicht mehr los. So wird die politische Tagesordnung in Großbritannien von den US-Wahlen bestimmt. Blair hat jetzt mehr zu verlieren als sein Souffleur aus Übersee. Denn anders als Bush kann er das Ergebnis nicht bis nach den Wahlen hinauszögern, denn in Großbritannien wird erst Mitte 2005 abgestimmt. Und die Massenvernichtungswaffen waren das einzige Argument, mit dem er Unterhaus und Bevölkerung von der Notwendigkeit eines Kriegs überzeugte. Die US-Bevölkerung hingegen wurde mit mehreren Gründen auf den Krieg eingestimmt.
Bei der Untersuchung würde sich Blair am liebsten auf die Frage beschränken, ob sich die Geheimdienste bei der Einschätzung der Irakgefahr geirrt haben. Doch damit kommt er diesmal nicht durch. Es geht um die Rolle der Politiker, nicht der Geheimdienste. Noch so einen fadenscheinigen Freispruch wie den von Lordrichter Hutton letzte Woche kann Blair sich nicht leisten. Sein Glück wäre die Beurteilung, dass er wirklich glaubte, der Irak stelle eine direkte Gefahr für Großbritannien dar.
Dagegen sprechen freilich die Beweise, die Hutton zutage gefördert hat. Er wies nach, dass die Regierung die Geheimdienste genötigt hat, das Irakdossier vom September 2002 aufzubauschen – auch wenn er das in seinem Urteil geflissentlich ignorierte. Entpuppt sich auch Lord Butler, der die neue Untersuchung leitet, als Regierungsmarionette, ist der Schaden für Blair genauso groß, als wenn Butler aussprechen würde, was seit der Hutton-Untersuchung ohnehin alle wissen. Seinen Ruf kann Blair nur retten, wenn er sein Amt abgibt, bevor Butler sein Urteil verkündet. RALF SOTSCHECK