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INTERVIEWDer „normale“ Weg des Uran

■ Georges Stiennon, stellvertretender Generaldirektor des staatlichen Atomforschungszentrums CEN in Mol und Hugo Ceulemans, Leiter des Schnellbrüterforschungsprogramms des CEN zum Vorwurf der Verletzung des Atomwaffensperrvertrages

taz: Wie erleben Sie hier die Reaktionen in der BRD auf den NUKEM-Skandal?

Hugo Ceulemans: Was uns hier wundert, ist die Hysterie in der BRD. Sie gleicht einer Hexenjagd. Die Deutschen können nicht abwägen. Sie sehen immer nur das eine oder das andere Prinzip. Deshalb fühlen wir uns in unserem Ansehen verletzt.

Ihr Ansehen ist in der Tat verletzt. Sie waren gezwungen, zwei Ihrer Angestellten, darunter den Leiter der Abfallbehandlungsabteilung Van de Voorde, wegen Bestechlichkeit zu entlassen.

H.C.: Wir waren sehr überrascht. Wir sind keine Detektive. Schließlich war es Transnuklear, die die Männer kaufte.

Nun ist Ihr Zentrum zudem wegen der Zusammenarbeit mit Pakistan ins Schußfeuer der Kritik geraten. Noch 1986 unterzeichnete das CEN ohne Wissen des zuständigen Wirtschaftsministeriums ein „Memorandum of understanding“ mit der Pakistanischen Atombehörde PAEC.

Georges Stiennon: Es ist möglich, daß der Wirtschaftsminister nicht auf dem laufenden war. Aber wir hatten eine Genehmigung des Außenministeriums.

Die Genehmigung ist von 1985 und allgemei ner Natur. Das Außenministerium aber rechtfertigte später die Beziehungen zu Pakistan mit einer möglichen Kontrolle über das pakistanische Atomprogramm. Sind Sie in der Lage, diese Kontrollfunktion wahrzunehmen?

G.S.: Kontrolle ist nicht das richtige Wort. Wir besitzen bestimmte Informationen. Wenn Belgier nach Pakistan gehen, ist es klar, daß man erfährt, was die Leute dort machen.

Dabei gab es auch im März 1986 ein Treffen zwischen Ihnen und Verantwortlichen des militärischen Atomprogramms in Pakistan. Was hat es mit diesen Kontakten auf sich?

G.S.: Da muß man keinen Zusammenhang sehen. Ich glaube, es hat ein gemeinsames Essen gegeben. Das heißt nicht, daß wir über das militärische Programm diskutiert haben.

Sie haben in Mol regelmäßig pakistanische Praktikanten empfangen. Nach dem Abkommen von 1986 kam eine Gruppe, deren Mitglieder ausschließlich erfahrene Ingenieure waren. Anfang der siebziger Jahre war in Holland der Fall Khan ein Skandal, der ebenfalls als Praktikant Geheimdokumente nach Pakistan entführte und heute der Leiter des dortigen Militärprogramms ist.

H.C.: Das ist das normalste aller Dinge. Ein Abkommen zwischen zwei Ländern sieht immer einen Erfahrungsaustausch vor.

G.S.: Wir hatten nur sehr wenige pakistanische Praktikanten. Die Gruppe, die 1986 kam, ist außerdem nach Belgonucleaire gegangen und wurde dort unterrichtet.

Grundsätzlich aber befürworten Sie weiterhin den Austausch mit Pakistan?

H.C.: Pakistan hat den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet, weil Indien ihn nicht unterzeichnen wollte. Das ist also eine Angelegenheit des indischen Subkontinents. Es gibt keinen Grund, ein Land in diesen Bereichen zu diskriminieren, weil es den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet hat.

Eine andere Frage: Sie haben 1981 angereichertes Uran an NUKEM verkauft. Wie lief dieses Geschäft?

G.S.: Der normale Weg läuft so: Wir kaufen über NUKEM angereichertes Uran in den USA. Dieser Handel besteht seit 1959. Als wir 1981 Geld brauchten, haben wir uns entschieden, 20 Kilo Uran an NUKEM zurückzuverkaufen. Das war eine rein finanzielle Operation, die mit keinem Materialtransport verbunden war, weil sich das Uran noch in den USA befand. Wenn Sie nun wissen wollen, was NUKEM mit dem Uran gemacht hat: Wir wissen es nicht. Das ist auch nicht unsere Aufgabe. Das Gespräch führte Georg Blume

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