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INTERVIEW»Fünf schwere Jahre für Berlin«

■ DIW-Experte zum Haushaltsdefizit: Berlinern drohen mehr Steuern und Gebühren

Dieter Vesper ist wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und hat sich in letzter Zeit intensiv mit den finanzpolitischen Perspektiven Berlins beschäftigt. Die taz sprach mit dem promovierten Ökonomen über die Haushaltskrise der Stadt.

taz: Herr Vesper, der Senat will die Neuverschuldung in diesem Jahr auf knapp vier Milliarden Mark steigern, zehn Prozent des Haushaltsvolumens soll über Kredite finanziert werden. Wie lange kann das gut gehen?

Dieter Vesper: Grundsätzlich sollte eine hohe Verschuldung nur vorübergehender Natur sein, das ist ganz klar. Denn mit diesen Krediten sind auch steigende Zinszahlungen verbunden, der finanzpolitische Spielraum wird eingeschränkt.

Die Summen, über die die Stadt verfügen kann, schrumpfen in den nächsten Jahren ohnehin, weil Bonn die Berlinhilfe schrittweise reduzieren will. Gleichzeitig kommen höhere Zinszahlungen dazu. Wird da nicht eine doppelte Schraube angesetzt?

In der Tat. Auf mittlere Frist wird das sogar noch dadurch verstärkt, daß für den Ostteil der Stadt die Mittel aus dem Fonds Deutsche Einheit zurückgehen werden und auf der anderen Seite die Personalausgaben drastisch in die Höhe gehen werden, weil sich die Tarife angleichen. Der finanzpolitische Spielraum wird weiter verkleinert, die Defizite steigen noch stärker.

Wie werden das die Berliner spüren?

Das hängt davon ab, was der Finanzsenator tut. Zunächst kommt er wohl nicht darum herum, Mittel im Westteil einzusparen. Hier wird dann das Angebot an staatlichen Dienstleistungen schlechter. Andererseits wird er versuchen, die Einnahmen zu erhöhen. Er kann die Gewerbesteuer erhöhen sowie die Gebühren für staatliche Leistungen: für die Müllabfuhr, für Kindertagesstätten, die Eintrittspreise in den Theatern.

Wenn Sie die Gewerbesteuer erhöhen, schrecken Sie doch nur die Unternehmer ab, die eigentlich nach Berlin gelockt werden sollen, damit sie Arbeitsplätze schaffen und Steuern zahlen.

Der Einwand ist richtig. Möglicherweise werden durch eine Steuererhöhung Investoren abgeschreckt, so daß die Steuerbasis eher kleiner wird als größer. Der Hebesatz für die Gewerbesteuer ist in Berlin jedoch weniger als halb so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Da hat Berlin schon noch Spielraum. Natürlich kommt es darauf an, welchen Steuersatz Brandenburg anbietet.

Im Westteil der Stadt wird gekürzt, um die Ausgaben für den Ostteil zu finanzieren. Wird West-Berlin verosten?

Ich denke nicht. Gemessen an anderen westlichen Metropolen ist die Infrastrukturausstattung in West-Berlin recht gut, auch wenn sie zunehmend durch die Nachfrage aus dem Umland in Anspruch genommen wird, denken Sie an die BVG. Es wird vor allen Dingen darauf ankommen, daß Berlin mehr Bundeshilfe erlangen kann.

Leere Kassen des Staates, abwandernde Unternehmen, wachsende Armut der Bevölkerung: Droht Berlin ein Schicksal wie New York?

Gerade New York hat sich ja nach einer jahrelangen Durststrecke wieder zu einer relativ attraktiven Metropole entwickelt. Auf längere Sicht hat auch Berlin günstige wirtschaftliche Perspektiven, verbunden mit einem größeren finanzpolitischen Spielraum. Auf mittlere Sicht allerdings, also für mindestens fünf Jahre, wird es sehr viele Probleme geben.

Die Verlegung des Regierungssitzes nach Berlin, die ja frühestens in zehn bis 15 Jahren voll wirksam würde, könnte der Stadt über diese Durststrecke also nicht hinweghelfen?

Allein eine positiven Entscheidung für Berlin würde den sogenannten Ankündigungseffekt auslösen, Investoren würden ermutigt. Berlin hätte allerdings durchaus auch ohne den Regierungssitz die Möglichkeit, eine blühende Metropole zu werden. Olympische Spiele in der Stadt könnten wichtige Impulse auslösen. Auch von einer Kunst- und Kulturmetropole oder einer Dienstleistungsmetropole könnten Impulse ausgehen. Natürlich ist da ein Konzept des Senats gefragt. Interview: Hans-Martin Tillack

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