INTERVIEW: Psycho-Krieg in Ljubljana
■ Boris Cibej ist Redakteur der Zeitschrift 'Mladina‘ (taz-Partner bei WORLD MEDIA)
taz: Wie sieht es im Moment — Donnerstag, 14 Uhr — in Ljubljana aus?
Boris Cibej: Ich bin ganz sicher, daß es zu Kämpfen kommen wird. Bin gerade auf dem Weg in die Umgebung von Ljubljana. Es gibt drei neuralgische Punkte. Der erste ist in Vrhnika, 20 Kilometer von Ljubljana entfernt. Dort sind die Panzereinheiten der jugoslawischen Armee massiert. Der zweite liegt bei Nove Mesto, wo die Panzer der Jugoslawen von slowenischen Territorialeinheiten und der Polizei gestoppt worden sind und ein Offizier der Jugoslawen verletzt worden ist, wenn auch nicht schwer. Der dritte, sicher wichtigste Punkt der Auseinandersetzungen ist der Flughafen von Ljubljana.
Ist der Flughafen noch offen?
Nein, er wurde gestern nachmittag geschlossen. Dort stehen sich jugoslawische und slowenische Einheiten gegenüber. Aber er ist nicht von den Jugoslawen besetzt, nur eingeschlossen. Die jugoslawische Armee überfliegt mit kleinen Militärflugzeugen die slowenischen Städte und wirft Flugblätter ab, auf denen steht, daß die Leute unbesorgt sein sollen. Die Wirkung ist eher gegenteilig: wie Feindpropaganda eines fremden Staates.
Ist die Militäraktion Ihrer Meinung nach durch die Bundesregierung gedeckt, oder handelt das Militär auf eigene Rechnung?
Das Militär handelt auf Weisung der jugoslawischen Regierung. Sie gehorchen, weil General Kolcek, der Komandant des Norddistrikts, die Aktion befohlen hat. Kolcek hat an unseren Ministerpräsidenten Peterle geschrieben und mitgeteilt, daß die Armee die Kontrolle über die Grenzen übernehmen wird.
Ist es überhaupt sinnvoll, daß die slowenischen Einheiten Widerstand leisten?
Unsere Soldaten verfügen ebenfalls über Panzer, Panzerabwehrwaffen und Minen. Die Barrikaden, die überall die Verbindungen sperren, sind jetzt militärisch gesichert.
Glauben Sie, daß die Bundestruppen Ljubljana besetzen werden?
Nein, nicht jetzt. Alle Truppen der Jugoslawen sind um den Flughafen und an den Grenzen konzentriert.
Es handelt sich also um Einschüchterungsmaßnahmen?
Im Moment ja. Jetzt kommt es ihnen vor allem darauf an, die Grenzübergänge zu besetzen.
Wie ist die Lage dort: Gibt es noch Grenzposten unter slowenischer Kontrolle?
Die meisten sind unter unserer Kontrolle. Die Jugoslawen umzingeln unsere Posten, weiter passiert nichts. Es ist eine Auseinandersetzung um Symbole. „Reisen Sie nach Slowenien oder Jugoslawien ein?“ Darum geht es.
Haben Sie in den letzten Stunden mit Freunden und Bekannten gesprochen, fühlen die Menschen in Ljubljana sich jetzt unmittelbar bedroht?
Ja. Mittwoch war die Lage sehr ruhig, entspannt, aber seit den frühen Morgenstunden des Donnerstag hat sich alles radikal verändert. Auch in der Stadt sind jetzt überall Barrikaden errichtet worden, um einen Panzerangriff aufzuhalten. Es ist augenblicklich fast nicht mehr möglich, die Überlandstraßen in Slowenien zu benutzen. Alles voller Panzer und Panzersperren. Interview: Christian Semler
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