INTERVIEW: „Zum Ende des Terrors beigetragen“
■ Guerillaführer Eduardo Solorzano und Hugo Martinez zur taz-Kampagne und zur Zukunft El Salvadors
Eduardo Solorzano und Hugo Martinez sind Mitglieder des vereinigten Generalstabs der Nationalen Armee für die Demokratie (END), der militärischen Struktur der FMLN. Beide haben jahrelang an der Guazapa-Front gekämpft und sind ausgebildete Mediziner. Während Eduardo Solorzano im Frieden zu seinem ursprünglichen Beruf zurückkehren will, wird sich Hugo Martinez, der seit 30 Jahren in der KP aktiv ist, der Politik widmen.
taz: Das Friedensabkommen bedeutet logischerweise das Ende der Kampagne „Waffen für El Salvador“. Was hat diese Kampagne für die FMLN bedeutet?
Martinez: Wir sind sehr dankbar für diese jahrelange Solidarität, die eine außerordentlich politische, moralische, materielle und menschliche Unterstützung für uns bedeutet hat. Ohne diese Hilfe wäre es sehr viel schwieriger oder gar unmöglich gewesen, zu erreichen, was wir erreicht haben. Alle Kämpfer und Mitglieder der FMLN wissen von dieser Kampagne und sind stolz darauf. Wir hoffen, daß uns diese Solidarität auch unter den neuen Bedingungen zuteil wird.
Was ist denn mit diesen über vier Millionen Mark gekauft geworden?
Solorzano: Ganze Einheiten der FMLN wurden damit finanziert, Bürokosten der politischen Strukturen getragen, Transport von Verletzten, medizinische Betreuung, Nahrungsmittelanbau in den Kriegszonen etc.
In der Solidaritätsbewegung gibt es einen alten Streit über die moralische Dimension einer solchen Kampagne, die letzten Endes den Tod von Menschen zur Folge hat.
Martinez: Diese Kampagne hat etwas sehr Konkretes gebracht. Sie hat dazu beigetragen, daß in El Salvador die mehr als sechzig Jahre alten antidemokratischen, ungerechten Strukturen, der Terror gegen die Zivilbevölkerung, beseitigt werden. El Salvador ist heute im Übergang zu einer demokratischen Gesellschaft. Deswegen ist die Kampagne voll gerechtfertigt.
Was sagt Ihr jenen, die sich jetzt fragen, ob mit ihrem Beitrag Bürgermeister exekutiert wurden und ob Ihr damit Geschosse gebastelt habt, die danebengingen und Zivilisten töteten?
Martinez: Die FMLN hat sich gegen ein ungerechtes despotisches Regime erhoben. Der Krieg bringt immer Zerstörung und Leiden für die Bevölkerung mit sich. Die FMLN hat aber niemals absichtlich die Waffen gegen das Volk gewandt. Es gab wohl Unfälle, Nachlässigkeit, bedauerliche Irrtümer und sogar Fälle von Verantwortungslosigkeit, die dann bestraft wurden. Die Hinrichtung der Bürgermeister hängt mit der engen Verflechtung der militärischen mit den lokalen Strukturen zusammen. Die Bürgermeister in den Kriegszonen waren Handlanger und Speerspitze des Militärs in der Counterinsurgency-Kampagne. Dadurch wurden sie für uns militärische Ziele.
Wie steht die FMLN zur Generalamnestie, die die Regierung noch vor Beginn des Waffenstillstands durchdrücken will?
Martinez: Wir sind absolut dagegen, denn Tausende monströse Verbrechen dürfen nicht ungesühnt bleiben. Man kann über Amnestie reden, wenn einmal die Verantwortlichkeiten klar bloßgelegt sind. Ein Pardon a priori für die Verbrechen, die Produkt des politischen Systems sind, kann es nicht geben.
Trotzdem gibt es eine Reihe Argumente dafür.
Martinez: Die Regierung behauptet, daß die Generalamnestie notwendig ist, damit die Nationale Kommission für die Konsolidierung des Friedens (Copaz) möglichst bald ihre Arbeit aufnehmen kann. Denn die zwei Comandantes, Joaquin Villalobos und Roberto Roca, die Copaz angehören, werden von der Justiz gesucht: der eine wegen Mordes an zwei US-amerikanischen Offizieren vor einem Jahr, der andere wegen des Attentats im Zentrum von San Salvador 1985, bei dem mehrere US-Berater getötet wurden. Wir halten das für eine Manipulation der Tatsachen, denn damit sollen Hunderte Offiziere gerettet werden, die in Massaker verwickelt sind.
Die FMLN hat akzeptiert, daß vier Fälle, die ihr zur Last gelegt werden, von der sogenannten Wahrheitskommission untersucht werden. Bedeutet das nicht auch, daß die obersten Comandantes als letzten Endes Verantwortliche verfolgt werden könnten?
Martinez: Wir sind mit der Untersuchung einverstanden, und wenn dabei zwingende Beweise zutage kommen, dann müssen die Companeros sich vor Gericht verantworten. Wir bestehen aber auf gleichen Kriterien bei der Untersuchung der Verbrechen der anderen Seite.
Im Friedensabkommen ist nicht von Demobilisierung sondern von der Auflösung der militärischen Strukturen der FMLN die Rede. Was bedeutet das?
Martinez: Die FMLN ist nicht geschlagen worden. Wir betrachten das Ergebnis der Verhandlungen als Konsequenz unserer militärischen Stärke.
Solorzano: Wir sehen es als Umwandlungsprozeß, nicht als Entmobilisierung oder Entwaffnung im klassischen Sinn. Zwischen dem 1.Februar und dem 31.Oktober werden sich unsere Kämpfer in 15 Zonen konzentrieren, die der Supervision der Vereinten Nationen unterliegen. In vier Etappen werden dann Truppen des END auf die Polizeiakademie geschickt, wo sie für die neue Zivilpolizei ausgebildet werden.
Es gibt jetzt ein Abkommen, aber die alte Oligarchie und die extreme Rechte haben sich damit nicht abgefunden. Wie seht Ihr die realen Friedenschancen?
Martinez: Die Gruppen, die Du erwähnst, werden sicher nichts unversucht lassen, um das Abkommen zum Scheitern zu bringen. Es geht jetzt darum, durchzusetzen, daß es eingehalten wird. Zwischen dem 1.Februar und dem 31.Oktober muß das System von Garantien und die Überwachung durch die Vereinten Nationen in Kraft gesetzt werden. Während dieser Zeit muß die Armee ihre Verpflichtungen einhalten und die FMLN, deren Armee so lange intakt bleibt, ist dafür eine gewisse Garantie. Nach dem 1.November beginnt ein sozialer und diplomatischer Kampf um die Vertiefung der Übereinkommen. Interview: Ralf Leonhard
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