INTERVIEW: Die Gartenarbeit gibt mir Halt
■ Ingrid Straumer sprach mit Georg D., den sie Georgette Dee nennen, und dem Herren Terry Truck
taz: Sie singen Ihre Chansons so wunderbar, daß man auf die Idee kommen könnte, daß Sie nur als Frau auftreten, weil Sie als Mann diese Lieder nie singen könnten. Stecken solche oder ähnliche kühle Überlegungen hinter Ihrer Show?
Georgette Dee: Nein, diese Art Show ist ein absolutes Muß.
Trotzdem mögen Sie das Wort Transvestit nicht?
Georgette: Nein, weil es nicht zutrifft. Ich trete ja nur auf der Bühne in Frauenkleidern auf.
Terry Truck: »Transvestit« wird nur über Kleidung definiert. Demnach müßten ja die meisten Frauen Transvestiten sein, weil sie dauernd in Hosen herumlaufen!
»Hermaphrodit« hören Sie lieber, das trifft aber doch wohl auch nicht zu, Sie sind doch kein Zwitter?
Georgette: (zögert etwas) Vom Gefühlsleben her wohl doch.
Welche Vorstellungen hatten Sie als Kind von Ihrem Leben? Man nimmt sich doch wohl nicht vor, berufsmäßig Frau zu werden.
Georgette: Ich habe mir meine Zukunft nie vorgestellt. Irgendwann wußte ich, daß ich zur Bühne wollte. Auch heute habe ich keine Zukunftspläne. Sich festlegen ist mir ein Alptraum. Vor zehn Jahren habe ich Terry kennengelernt, da ging es los. Ich mußte mir sehr viel erarbeiten. Am Anfang hatten wir in London mehr Erfolg als in Deutschland. Hier kam der erste Durchbruch in Frankfurt, im »Theater im Turm«. Damit hatten wir endlich die Möglichkeit, arrivierte Bühnen zu betreten. Wir standen immer im Schatten der Hochkultur, gehören aber nicht ins Rotlichtmilieu der Subkultur.
Georgette, Terry, leben sie zusammen?
Georgette: (lacht) Um Himmels willen, nein, das würde nicht gehen.
Terry: (lacht ebenfalls) Wir haben am Anfang notgedrungen zusammen in einem VW-Bus gewohnt und sind damit durch die Lande getingelt. Danach hatten wir die Nase voll voneinander und waren froh, als das vorbei war.
Georgette: Wahrscheinlich funktioniert unsere Zusammenarbeit deshalb so gut, weil wir privat so gut wie nichts miteinander zu tun haben. Trotzdem haben wir eine tiefe Freundschaft. Wir haben zu Kompromissen gefunden, arbeiten eng zusammen, ohne den anderen so stark einzuengen, daß eine Abhängigkeit entsteht. Es gab auch schon mal Streit zwischen uns.
Terry: Das ist lange her, mindestens neun Jahre.
Georgette: Ja, wir haben uns vor dem Auftritt gestritten. Das Programm war an dem Abend ein Chaos, ein Kampf, aber wir haben uns über die Musik bei einer Stunde Zugabe wieder zusammengefunden. Man kann mit einer Stunde Musik mehr sagen als mit fünf Stunden reden. Ich möchte allen sagen: Macht mehr Hausmusik, das ist ein hervorragendes Kommunikationsmittel.
Wie ist Ihr Verhältnis zum Publikum?
Georgette: Das Publikum ist ja nicht immer gleich, und so ist auch meine Show nicht immer gleich. Es kann sein, daß man an zwei Abenden hintereinander bei gleichem Programm eine völlig andere Show sieht. Wir brauchen sehr stark die Wechselwirkung mit dem Publikum. Ein Publikum, das nur konsumiert, aber nicht reagiert, bekommt etwas anderes zu sehen als ein Publikum, das mitgeht. Ich investiere eben viel Gefühl und so bekommt jedes Publikum das, was es verdient.
Wie war Ihr Leben vor diesem Leben?
Georgette: Ich habe sehr harmonische Kindheitserinnerungen. Meine Eltern haben mit Liebe regiert, nicht mit Gewalt.
Wann haben Sie gemerkt, daß sie nicht ausschließlich wie ein Mann denken und fühlen, und hatten Sie Angst vor den Reaktionen Ihrer Familie?
Georgette: Ich war 16 oder 17 Jahre, und die Reaktion meiner Eltern war mir egal, schließlich war es mein Leben. Ich habe auch gute Kontakte zu meinen Eltern und meinen vier Geschwistern. Aber ich hatte es in dieser Beziehung wohl auch leicht durch die Harmonie im Elternhaus. Leute, die aus kaputten Verhältnissen kommen und dann ihr Schicksal mit Heiterkeit und innerer Gelassenheit tragen, bewundere ich weit mehr.
Sie hatten einen Beruf...?
Georgette: Ich habe sieben Jahre als Krankenpfleger gearbeitet.
Haben Sie das gern getan?
Georgette: (sehr bestimmt) Ja, sehr gern. Es ist doch das höchste Gut des Menschen, sich miteinander und umeinander bewegen und bemühen zu können.
Wenn jemand sagt, Menschen, die nicht wissen, ob sie Männlein oder Weiblein sind, interessieren ihn nicht, glauben Sie das?
Georgette: Für viele ist unsere Arbeit ein tiefes Erlebnis, gerade weil sie hier eine Gratwanderung ihrer Gefühle erleben. Andererseits ist es ein sehr dünner Boden, auf dem sich gesellschaftliche Funktionen abspielen. Macht und Karriere kann nur in diesem Rahmen funktionieren. Minderheiten sind hier eine Gefahr, weil sie Normen in Frage stellen. Also ignoriert man sie besser. Im ganzheitlichen Denken kann Macht nicht funktionieren.
Sie Sie politisch engagiert?
Georgette: Engagiert nicht, aber hochsensibilisiert, in manchen Bereichen auch besonders interessiert. Ich denke beispielsweise, daß unsere Gesellschaft reif dafür wäre, daß auch homosexuelle Paare heiraten können. Ich sehe keinen Grund, warum das noch verweigert wird — mal abgesehen davon, daß viele, ob homo- oder heterosexuell, gar nicht heiraten wollen.
Haben Sie einen festen Partner?
Georgette: Mehrere.
Sie wollen also nicht heiraten?
Georgette: Ich bin verheiratet!
Wie bitte?
Georgette: (mit schalkblitzenden Augen) Ja, ich bin verheiratet. Mit einer Frau. Wir hocken nicht ständig zusammen, ich bin ja auch viel unterwegs, aber wir sehen uns und sind verheiratet.
Sie sind also bisexuell?
Georgette: Ja.
Wo finden Sie in Ihrem bewegten Leben einen Halt?
Georgette: Ich finde Halt in Garten- und Hausarbeit, Lesen gibt mir manchmal Halt, und natürlich meine Arbeit. Sie ist das, was mir im Moment entspricht.
Terry, haben Sie auch noch solche Überraschungen aus Ihrem Privatleben bereit?
Terry: (schmunzelnd) Ich weiß nicht, ob es eine Überraschung ist. Ich lebe mit meiner Freundin und unserem sechsjährigen Sohn in Berlin, und wenn ich mehr Zeit für sie hätte, würde ich gern mehr Kinder haben.
Ihre Berliner Fans erwartet am 8. März auch noch ein ganz anderes Erlebnis: Georgette Dee statt in intimer Atmosphäre im großen Schiller Theater. Paßt das zu Ihnen?
Georgette: Ja, durchaus. Natürlich arbeite ich dort anders, mit größeren Gesten, bringe auch ein anderes Programm, so unter dem Motto »Lieblingslieder« und »Zehn Frauen will ich sein«. Es ist einfach eine neue Situation mit neuem Anreiz.
Ist der Auftritt im Schiller Theater ein Zeichen dafür, daß Männer in Frauenrollen langsam hoffähig werden? Wandelt sich die öffentliche Einstellung?
Georgette: Das wohl nicht gerade, aber wir beide sind dort angekommen, wo sich auch Veranstalter mit größeren Räumen bei uns melden, in dem Bewußtsein, daß es voll werden wird. Für uns ist es die Bestätigung, daß unsere Arbeit in der Hochkultur Anerkennung findet.
Fühlen Sie sich auf dem Höhepunkt Ihrer Karriere?
Georgette: Nein, um Himmels Willen, den hätte ich gern mit 60.
Sie haben auch ein Buch geschrieben...?
Georgette: Anfang Februar kommt es heraus, bei der Edition D.A., Berlin. Es heißt Gib mir Liebeslied und enthält Chansons, Aphorismen, Geschichten zum Leben und auch autobiographische Texte.
Sie sind sehr vielseitig, was wollen Sie noch alles machen?
Georgette: Ich habe schon gesagt, ich lege mich nicht gerne fest, aber ich könnte mir vorstellen, eines Tages Geschichtenerzähler zu werden. Zusammensitzen und Geschichten erzählen, das ist nicht nur Nostalgie, sondern ein wichtiges Mittel zur Kommunikation. Die Menschen sollten sich wieder mehr darauf besinnen.
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