INTERVIEW: „Die EG soll Druck auf Südkorea ausüben“
■ Hearing im Europaparlament zur Menschenrechtssituation in Südkorea/ Über tausend politische Gefangene
Trotz der Annäherung zwischen den beiden koreanischen Staaten und beginnender Demokratisierung in Südkorea ist die Zahl politischer Gefangener unter der Regierung Roh Tae Woo nicht gesunken. Noch immer erhält in Südkorea lange Haftstrafen, wer verdächtigt wird, mit dem „Feind“ Kontakt aufgenommen — oder sich auch nur positiv über den Norden geäußert zu haben. Wie der Korean National Council of Churches berichtet, gab es im November des vergangenen Jahres 1.136 politische Gefangene. Viele von ihnen wurden aufgrund eines Nationalen Sicherheitsgesetzes verurteilt. Nach Informationen von amnesty international waren in 50 Fällen „Geständnisse“ im Gefängnis durch Folter erzwungen worden.
In Straßburg werden heute bei einem Hearing zu Südkorea, das von den Grünen und Abgeordneten der Sozialisten im Europaparlament veranstaltet wird, VertreterInnen des Demokratischen Anwaltsverbandes Südkoreas, des Verbandes Angehöriger politischer Gefangener und von amnesty international über die Lage der Menschenrechte sprechen. Die taz sprach mit einem der Organisatoren des Hearings, dem Grünen Jürgen Maier.
taz: Was ist denn der wichtigste Aspekt der Menschenrechtssituation in Südkorea?
Jürgen Maier: Das Hauptproblem ist gegenwärtig die Anwendung des Nationalen Sicherheitsgesetzes. Dieses Gesetz ist voller Gummiparagraphen. Die erlauben es der Regierung, ganz willkürlich zu definieren, wer denn staatsgefährdend oder ein Sicherheitsrisiko ist. Diese Gummiparagraphen ähneln übrigens entsprechenden Paragraphen früher in der DDR. Unter der gegenwärtigen Regierung hat die Zahl der politischen Gefangenen sogar zugenommen.
Unter anderem betrifft das heute zunehmend die Gewerkschaften. Die Regierung will verhindern, daß unabhängige Gewerkschaften entstehen. Die Industrialisierung in Südkorea ist ja durch eine extreme Ausbeutung der Arbeiter erreicht worden. Die Arbeitszeiten gehören zu den längsten der Welt, durchschnittlich 55 Stunden in der Woche, und die Löhne sind dabei immer noch sehr niedrig. Bislang gab es nur staatlich kontrollierte Gewerkschaften. Wenn nun eine unabhängige Arbeiterorganisation gegründet wird, kann die unter dem Nationalen Sicherheitsgesetz als „staatsfeindlich“ verfolgt werden.
Was erwarten Sie sich von der Anhörung?
Die EG ist einer der wichtigsten Handelspartner Südkoreas. In der EG gibt es immer mehr auch konservative Politiker, die sich dafür aussprechen, Regimen, die die Menschenrechte systematisch mißachten, keine Handelsvorteile mehr einzuräumen. Wir wollen, daß das Europaparlament Druck auf die EG-Kommission ausübt, zum Beispiel Zollvergünstigungen für Südkorea aufzuheben, wenn sich die Menschenrechtssituation dort nicht bessert. Jutta Lietsch
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