INTERVIEW: „Schwangerschaftsberatung soll freiwillig bleiben“
■ Inge Wettig-Danielmeier (SPD) zur Diskussion um eine Neufassung des Paragraphen 218/ „Verpflichtende Information“ statt zwangsweiser Schwangerschaftsberatung
Bis zum Ende des Jahres soll die Neuregelung des Paragraphen 218 stehen. Sie gilt als wichtigstes und zugleich kompliziertestes Gesetzesvorhaben des laufenden Jahres. Zur Zeit konkurrieren sechs verschiedene Entwürfe aller Fraktionen miteinander. SPD und FDP sehen in ihren jeweiligen Gesetzentwürfen die Fristenregelung vor. Beide Parteien verhandeln derzeit miteinander, um eine gemeinsame Lösung voranzutreiben. Eine der Verhandlungsführerinnen ist die ASF-Vorsitzende und Schatzmeisterin der SPD, Inge Wettig-Danielmeier.
taz: Gerade Sie, Frau Wettig-Danielmeier, haben sich in der Vergangenheit als eine Politikerin gezeigt, die sehr leidenschaftlich dafür gekämpft hat, daß in dem SPD-Gesetzentwurf zur Neuregelung des Paragraphen 218 eine freiwillige Beratung verankert wurde. Nun scheint sich die SPD in dieser Frage in den vergangenen Wochen stark auf die Vorschläge der FDP zuzubewegen. Ihnen wird sogar in den Mund gelegt, daß Sie sich für eine Beratungspflicht ausgesprochen haben.
Inge Wettig-Danielmeier: Ich bin nach wie vor eine überzeugte Anhängerin der freiwilligen Beratung. Andererseits können wir nicht verkennen, daß die verpflichtende Beratung für eine spätere Akzeptanz beim Bundesverfassungsgericht von Bedeutung sein kann. Darauf wird insbesondere durch die FDP immer wieder hingewiesen. Ich selbst schätze das zwar anders ein, das Bundesverfassungsgericht muß sich ohnehin in der Frage des Paragraphen 218 bewegen, und daher wäre ich hier auch offensiver. Aber dennoch fehlt uns hier die Mehrheit im Bundestag.
Deshalb haben wir der FDP nun ein Kompromißangebot gemacht. Wir sind an sich gegen die Informationspflicht und gegen eine zwangsweise Konfliktberatung. Wir wären allerdings bereit, eine verpflichtende Information über die sozialen Rechte und Hilfen für die Schwangere zu akzeptieren, wenn wir mit der FDP dadurch insgesamt zu einem tragfähigen Kompromiß kommen, der die Fristenlösung absichert. Die Schwangerschaftskonfliktberatung soll nach wie vor eine freiwillige Beratung bleiben. Zur Zeit formulieren wir gerade, wie der Verlauf einer solchen Informationsberatung aussehen soll.
Und wie steht es um die doch recht grundsätzliche Differenz bezüglich der Strafbarkeit? Im Entwurf der FDP macht sich eine Frau strafbar, wenn sie keine Beratung in Anspruch nimmt. Die SPD hingegen sieht ein Gesetz außerhalb des Strafgesetzbuchs vor, will also den § 218 aus dem StGB auslagern und verlangt eine grundsätzliche Straffreiheit der Frau.
Wir sind unter keinen Umständen bereit, den Vorschlag der FDP zu unterstützen, der vorsieht, daß Frauen, die nach der 12. Woche einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen, bestraft werden sollen. Das ist eine Strafverschärfung gegenüber der gegenwärtigen Rechtslage, denn bisher bleibt jede Frau, die sich hat beraten lassen, bis zur 22. Woche straffrei.
Verstehen wir Sie da richtig? Wenn die FDP sich nun auf die Straffreiheit bis zur 22. Woche einläßt, dann nehmen Sie im Gegenzug die Forderung nach einer generellen Straffreiheit der Frau zurück?
Ich kann da nicht mit Ja oder Nein antworten. Für uns ist die Bestrafung der Frau ein weitaus härterer Knackpunkt als die Beratungsfrage. Insgesamt gibt es bei den Verhandlungen mit der FDP drei strittige Konfliktpunkte: einmal die Beratungspflicht, zum zweiten die Strafbarkeit der Frau und zum dritten die Frage, ob der §218 beibehalten werden soll oder — mit dem flankierenden Sozialpaket — zu einem eigenständigen Gesetz werden soll, wie wir es vorschlagen. Diese drei Konfliktpunkte gestalten sich bei den Verhandlungen wie kommunizierende Röhren. Wenn das eine ganz zu unseren Gunsten gelöst würde, ist klar, daß wir bei anderen Punkten stärker nachgeben müssen.
Auch beim Strafrecht?
Wir könnten eine Bestrafung der Frau nach der 22.Woche eher akzeptieren, wenn sich die FDP dazu durchringen kann, den ganzen Paragraph 218 aus dem StGB herauszunehmen und einem gesonderten Familien- und Schwangerenhilfegesetz zuzustimmen.
Es gab zwischen Ihnen und der FDP weitgehende Vereinbarungen zu flankierenden Sozialmaßnahmen wie zum Beispiel den Unterhaltsregelungen oder im Hinblick auf eine Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes. Wie sieht der Stand Ihrer Verhandlungen hier aus?
Die FDP hat uns Mitte März wissen lassen, daß das alles erneut verhandelt werden muß. Die Finanzlage ist desolat, die Kosten der Einheit falsch kalkuliert worden, und da fängt man zuerst bei den Frauen an, wenn es ums Sparen geht. Das heißt, die FDP wird alle zusätzlichen kostenträchtigen Maßnahmen neu überprüfen.
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP, Uta Würfel, brachte in den vergangenen Wochen die Forderung nach einem interfraktionellen Gruppenantrag in die Diskussion ein, in dem sich auch die CDU/ CSU wiederfinden soll.
Ich glaube, hier wird Frau Würfel in der Öffentlichkeit mißverstanden. Sie geht, genau wie wir, davon aus, daß es— falls SPD und FDP sich einigen — einen Gruppenantrag geben wird, der von Abgeordneten verschiedener Fraktionen getragen wird. Und sie geht davon aus, daß wir — wenn wir diesen Antrag für eine Reformchance halten — alle anderen Anträge zurückziehen können, so daß zu guter Letzt nur noch ein Gruppenantrag und der Entwurf der CDU/CSU zur Disposition stünden. Denn die CDU/CSU als Gesamtfraktion wird sich an einem solchen Gruppenantrag nicht beteiligen.
Wie sieht die derzeitige Zeitplanung aus?
FDP und SPD werden Ende April, also nach der Osterpause, weiter verhandeln. Wir wissen, daß wir im Mai zu einer Lösung kommen müssen. Unser Ziel ist es, daß die abschließenden Beratungen im Sonderausschuß zum § 218, in dem 42 Abgeordnete aller Fraktionen sitzen, Anfang Juni stattfinden. Wenn alles gut geht, können wir es noch vor der Sommerpause schaffen. Ansonsten kommt es hoffentlich im September zur zweiten und dritten Lesung des neuen Gesetzentwurfs.
Es geht nun bei all Ihren Verhandlungen letztlich nicht nur um parlamentarische Mehrheitsverhältnisse. Es gibt ja eine breite gesellschaftliche Mehrheit für die Fristenlösung und gegen eine restriktive Abtreibungsregelung. Diese Mehrheit muß bei allen Verhandlungen doch als gewichtiges Argument in die Waagschale geworfen werden.
Natürlich, da stimme ich Ihnen sofort zu. Nur, überlegen Sie sich, wie lange wir für eine Fristenlösung kämpfen und wie wir bisher immer wieder abgebügelt worden sind. Ich finde die ganzen laufenden Auseinandersetzungen zutiefst deprimierend. Diese so männlich orientierten Diskussionen bewirken, daß selbst jemand wie ich, die ich stets viel Geduld mitbringe, gelegentlich versucht bin, sie zu verlieren. Aber das hat keinen Sinn. Wir müssen da durch, und wir müssen uns einigen.
Interview: Helga Lukoschat und Karin Flothmann
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