INTERVIEW: Gute Chancen für Wirtschaftsboykott gegen Serbien
■ Franz-Lothar Altmann ist stellvertretender Direktor des Süd-Ost-Instituts in München und Balkan-Wirtschaftsexperte
taz: Welche Chance geben sie einer Wirtschaftsblockade gegen Serbien bzw. Restjugoslawien?
Franz-Lothar Altmann: Sie ist das einzige Mittel, das bleibt und sie hat gute Chancen, vorausgesetzt, sie wird vollständig durchgeführt. Die Liste, die seitens der EG aufgestellt wurde, scheint dieser Bedingung zu genügen.
Auf welche Bereiche müßte sich die Blockade erstrecken?
Schwerpunktmässig auf die Erdöllieferungen, auf Ersatzteile, auf die Kommunikation einschließlich der Luftwege. Bezüglich der Erdöl- Blockade scheint mir wichtig, daß Griechenland sich nicht mehr sträubt und auch Rußland auf die EG-Linie eingeschwenkt ist. Die Umorientierung Rußlands wird es dem Weltsicherheitsrat ermöglichen, die Blockade zu beschliessen.
Welche Positionen gibt es im Sicherheitsrat?
Nach dem Schwenk der USA in der Jugoslawien-Politik sehe ich von dort keine Probleme mehr. Die russische Regierung hat bisher argumentiert, es käme darauf an, Serbien innerhalb des Verhandlungsprozesses zu halten, weshalb sich Sanktionen verböten. Kann sein, daß auch Reste von Solidarität zwischen den gewendeten Nomenklaturisten in Moskau und Belgrad wirksam sind. Dieser und andere Faktoren werden weiter wirken, aber Tatsache ist, daß Rußland sich jetzt mit Wirtschaftssanktionen einverstanden erklärt hat. Bleibt China — es wird sich der Stimme enthalten.
Angenommen, der Blockadebeschluß kommt auf UNO-Ebene zustande. Kann er greifen? Es geht zum Beispiel um die Vorratshaltung Serbiens.
Selbst wenn man die Erdölvorräte Serbiens auf zwei bis drei Monate einschätzt — die Blockade wird sofort wirken. Die serbische Regierung kann weder damit rechnen, in dem genannten Zeitraum ihre Kriegsziele zu erreichen, noch kann sie auf den Zusammenbruch der Sanktionen hoffen. Die griechische Politik, die wegen der Makedonien- Frage bislang eher pro-serbisch war, ist in der EG unter Druck geraten. Was schließlich die Republik Makedonien angeht — sie duldet bisher den Transit von Tanklastwagen, um nicht mit territorialen Ansprüchen Serbiens konfrontiert zu werden, würde sich aber einer Blockade anschließen.
Verfügt Rest-Jugoslawien nicht über eine ausreichende Nahrungsmittelbasis?
Es gab eine gute Ernte, aber wegen des Krieges wurde in wichtigen Regionen nicht ausgesät. Die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln wäre gesichert, aber auch nur für einen sehr begrenzten Zeitraum. Interview: Christian Semler
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