INTERVIEW: „Der Norden kann sich nicht mit kleinen Geldgeschenken freikaufen“
■ Thilo Bode, Geschäftsführer von Greenpeace Deutschland, zu den Rio-Aktivitäten der Umweltschutzorganisation und dem Versteckspiel der Bundesregierung
taz: Herr Bode, die UNO-Umweltkonferenz wird ein Spektakel ohne Folgen bleiben. Was hat Greenpeace unternommen, um dies zu verhindern.
Thilo Bode: Wir waren auf allen Vorbereitungskonferenzen vertreten, um die Konferenzergebnisse, die schon im Vorfeld diskutiert und festgeschrieben worden sind, durch Lobbyarbeit in Nairobi und New York in unserem Sinne zu beeinflussen. Ferner haben wir versucht, die Arbeit der regierungsunabhängigen Organisationen (NGO's) zu koordinieren und eine gemeinsame Position zu entwickeln. Schließlich werden wir in Rio einige Aktionen gegen jene großen Firmen machen, welche sich als Öko-Heuchler an der Konferenz beteiligen.
Können Sie die Namen dieser Firmen nennen?
Lieber noch nicht. Es handelt sich vor allem um Firmen, die Atomkraftwerke bauen. Aber auch Chemiekonzerne.
Wie ist denn das Auftauchen von Greenpeace in Rio aufgenommen worden?
Von den NGO's war besonders Greenpeace Brasilien begeistert, von den Organisatoren und Regierungsvertretern werden wir als normale Konferenzteilnehmer betrachtet und behandelt. Dies gilt naturgemäß nicht für unsere Aktionen — die Rainbow Warrior blockierte vorgestern in der Nähe von Rio die Zellulose-Fabrik Aracruz, für die große Küstenwälder abgeholzt wurden. Die werden auf der Konferenz nicht gerne gesehen, finden aber großen Beifall bei den Brasilianerinnen und Brasilianern.
Haben Greenpeace und andere Umweltorganisationen auf die Konferenz Einfluß nehmen können oder sind ihre Stimmen wirkungslos verhallt?
Sie sind nicht ernst genommen worden, wie sich an der völlig unverbindlichen Klimakonvention zeigt, an der nicht ausreichenden Artenschutzkonvention und der Tatsache, daß entscheidende ökologische Themen überhaupt nicht angesprochen werden.
Welche Themen sind das?
Das Vorsorge-Prinzip etwa. Es gibt auch keinen Hinweis auf Massenvernichtungswaffen, die 1972, auf der Stockholmer UN-Umweltkonferenz noch Thema waren. Es fehlt eine Aussage zum grenzüberschreitenden Verkehr von Giftmüll, zur Atomenergie, zur Fischerei, zur Biotechnologie und zur chemischen Verschmutzung. Das ist alles völlig unzureichend.
Greenpeace ist eine internationale Organisation aus dem Norden. Hat Greenpeace versucht, die berechtigten Forderungen des Südens einzubeziehen?
Ja. Wir haben im Vorfeld zu den Problemen Handel, Umwelt und Entwicklung Stellung genommen. Wir meinen, daß es nur wirksamen Umweltschutz in der Dritten Welt geben kann, wenn die Industrieländer ihre Produktion und ihren Konsum verändern. Der Norden kann sich nicht freikaufen, indem er ein bißchen Geld über den Tisch schiebt — wie das in Rio gemacht werden wird. Auf der anderen Seite waren wir auch eine der wenigen Organisationen, die offen kritisiert haben, daß viele Entwicklungsländer, das heißt deren Politiker, bei diesem Spiel mitmachen und das Geld gerne einstecken. Wir dagegen sagen: Der brasilianische Regenwald ist nicht ohne eine wirksame Landreform zu retten.
Altbundeskanzler Helmut Schmidt und viele andere haben kritisiert, daß in Rio das globale Bevölkerungswachstum, das heißt vor allem das in der Dritten Welt ausgespart wird. Greenpeace hat sich in dieser Richtung nicht geäußert.
Der Bevölkerungsdruck auf die natürlichen Ressourcen ist ein Problem, das man nicht leugnen kann. Aber wir sind der Meinung, daß dies auch ein Problem der absoluten Armut ist. Die knapp eine Milliarde Menschen, die am ärmsten sind, haben auch die meisten Kinder. Sie spielen eine große Rolle bei der Umweltzerstörung, aber sie leiden auch am stärksten unter ihr.
„Töpfer versteckt sich auch nur hinter den Europäern“
Sie sprechen beispielsweise von den Menschen in der Sahelzone?
Oder von Slumbewohnern der Mega-Cities in der Dritten Welt, die unter der Verschmutzung durch die Industrie leiden oder von den landlosen Bauern, die steile Hänge entwalden, um sich ein ärmliches Überleben zu sichern. Diesen Ärmsten der Armen muß geholfen werden. Aber ihre Interessen werden in Rio weder von den Vertretern der Industrieländer, noch von denen der Entwicklungsländer formuliert werden.
Wie schätzen Sie die Aktivitäten der deutschen Bundesregierung im Vorfeld der Konferenz ein?
Die Erklärung Helmuth Kohls vor dem Deutschen Bundestag war leider entlarvend. Kohl forderte, wir im Norden müßten noch sparsamer mit Rohstoffen umgehen — dabei verschwenden wir sie derzeit verantwortungslos. Dann aber hat er bei seinem denkwürdigen Regenwald-Besuch in Brasilien, als er 600 Millionen Mark für die Rettung desselben versprach, demonstriert, daß er auch auf diesem Trip ist, die Probleme mit kleinen Geldgeschenken zu lösen. Insgesamt treibt die Bundesregierung ein doppeltes Spiel. Töpfer deklamiert zwar, daß die Bundesrepublik vorangehen müßte; aber dann versteckt er sich hinter den Europäern, die sich dann wiederum hinter den USA verstecken.
Hätte die Bundesregierung eine aktivere und kritischere Rolle bei der Vorbereitung der Konferenz spielen können?
Die Industrieländer müßten einfach anfangen, etwas zu tun, und die Bundesrepublik Deutschland an erster Stelle. In Rio wird ein perfides Spiel getrieben werden, denn verbal hört sich ja vieles sehr gut an, aber das war es dann auch.
Wenn Sie nicht Geschäftsführer von Greenpeace wären, sondern deutscher Bundesumweltminister, was hätten Sie für die Konferenz zu erreichen versucht?
Ich hätte hier konkrete Maßnahmen durchgesetzt, die den Verbrauch an fossiler Energie und damit die Emission von Kohlendioxyd in Deutschland drastisch senken. Dieses Beispiel hätte ich in Rio vorgestellt, statt mich hinter den USA, der EG oder wem auch immer zu verstecken, um dann eben doch nichts verändern zu müssen. Interview: Michael Sontheimer
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