INTERVIEW: Boykott als stärkste gewaltfreie Waffe
■ Gespräch mit Yusuf Ibrahim, dem Präsidenten des nicht-rassischen Sportverbandes SACOS
taz: Können Sie erst einmal etwas zur Geschichte von SACOS (South African Council of Sport) sagen?
Yusuf Ibrahim: Als SACOS 1974 gegründet wurde, gehörten ihm acht Sportverbände an. Vor einigen Jahren hatten wir 23 nationale Sportverbände. Seitdem haben sich einige aufgelöst, andere haben sich mit dem sogenannten „multinationalen“ Sport verbunden. Wir nennen ihn multinational, weil er anerkennt, daß es verschiedene Nationalitäten oder Rassen in Südafrika gibt. Das ist das genaue Gegenteil von dem, wofür SACOS steht. SACOS sagt, daß es nur eine Rasse gibt: die menschliche Rasse.
Was sind derzeit die Ziele von SACOS?
Unser Ziel ist es, die Leute zu überzeugen, daß Sport Teil der Gesellschaft ist. Er kann die Gesellschaft nicht allein ändern, aber er kann eine wichtige Rolle spielen. Sportler dürfen nicht ihrem politischen Bewußtsein zuwiderhandeln. Wenn du daran glaubst, daß es keine verschiedenen Rassen gibt, kannst du nicht beim multinationalen Sport mitmachen. Südafrika wurde wieder zum internationalen Sport zugelassen, obwohl es keine politische Lösung gibt. Wir haben immer gesagt, daß Südafrika nur, wenn wir anerkannt werden und die vollen Bürgerrechte bekommen, seinen Platz in der internationalen Arena einnehmen kann. Sonst wäre es so wie jetzt bei den Olympischen Spielen. Viele Mitglieder des Teams, das dort einmarschiert, werden in ihrem Geburtsland nicht als Bürger anerkannt, aber sie repräsentieren Südafrika. Es gibt eine UNO-Resolution, die besagt, daß der Sportboykott nur aufgehoben werden soll, wenn es eine demokratische Regierung in einem vereinten und demokratischen Südafrika gibt. Das ist nicht der Fall. Doch in den letzten Jahren haben ökonomische Kontakte eine Aufhebung der sportlichen Sanktionen forciert. Der Sportboykott war die wirksamste gewaltlose Waffe, die wir hatten, und er hat die südafrikanische Regierung wirklich hart getroffen. Daher ist es sehr unglücklich, daß die multinationalen Sportverbände jetzt bereit waren, das Sportmoratorium aufzuheben.
Aber SACOS hat derzeit offenbar noch nicht die Macht, die Entsendung eines Olympiateams zu verhindern.
Das ist wahr. Aber was wir versuchen, ist mit Top-Athleten zu reden und sie zu bitten, ihren Standpunkt zu Südafrika deutlich zu machen. Es gab darauf Reaktionen. Da sind Linford Christie und John Regis aus England, die erklärt haben, daß sie nicht nach Südafrika kommen werden, bis jede unterdrückte Person Stimmrecht hat. Es ist schwer, den internationalen Boykott jetzt wieder einzuführen, aber wir glauben, daß wir immer noch einige Top-Athleten dazu kriegen können, ihre Meinung zu äußern und zu sagen, daß sie nicht nach Südafrika kommen. Eine der Möglichkeiten, Aufmerksamkeit zu erregen, ist an Individuen zu appellieren, ihnen zu sagen, daß sie immer noch Apartheid und Diskriminierung unterstützen. De Klerk und die Nationalist Party haben ihre Fehler nie zugegeben. Alles was sie sagen ist, daß ein klarer Bruch mit der Vergangenheit gemacht werden muß. Aber wir können die Vergangenheit nicht vergessen — denn wenn wir das tun, werden dieselben Sünden wieder begangen. Also versuchen wir die Welt zu überzeugen, daß, solange es keinen klaren Bruch mit der Vergangenheit gibt, Südafrika nicht bedingungslos unterstützt werden darf.
Wird es südafrikanische Athleten, egal welcher Hautfarbe, geben, die eure Ideen in Barcelona vertreten werden? Ich erinnere mich an den Protest der schwarzen US-Amerikaner 1968 in Mexiko.
Ich glaube nicht, daß so etwas passieren wird, denn die Leute, die sich entschlossen haben, nach Barcelona zu gehen, tun dies aus sehr selbstsüchtigen Gründen. Diejenigen, die fahren, werden nichts sagen. Wer sich gegen Barcelona entschieden hat, bekommt von den Zeitungen nicht die mindeste Publicity. Interview: Rainer Unruh (WFD)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen