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INTERVIEW„In Polen muß immer erst auf den Putz gehauen werden“

■ Stanislaw Albinowski, Berater des Industrieministers für Energiefragen, zu den Streiks und deren Auswirkungen auf die Wirtschaftreformen

taz: Der Chef der Bergarbeitergewerkschaft, Rajmund Moryc, hat ein einfaches Rezept: Den Zloty-Kurs freigeben, alle Exportblockaden und die Lohnzuwachssteuer aufheben. Dann würden Polens Gruben am Kohleexport soviel verdienen, um ohne Probleme die Löhne zu erhöhen. Geht diese Rechnung auf?

Albinowski: Die Lohnzuwachssteuer gehört abgeschafft, da bin ich mit Moryc einig. Auch die Exportblockaden müssen aufgehoben werden. Mit dem Zloty-Kurs wäre ich dagegen vorsichtiger. Der Export wird für die Gruben ja nur dann vorteilhaft, wenn der Zloty abgewertet wird, und das verschafft uns automatisch eine höhere Inflation.

Als die Regierung 1990 das Außenhandelsmonopol für Kohle aufhob, unterboten sich polnische Exporteure gegenseitig auf dem Weltmarkt. Auch der Export gen Osten war blockiert, weil niemand zahlte. Warum sind sie trotzdem gegen Exportblockaden?

Die polnisch-polnische Konkurrenz war tatsächlich ein großes Übel. Aber das Ausfuhr- Verbot auf administrativem Weg halte ich für Übertreibung. Beim Export gen Osten könnte man sich ja auf Barterabkommen verlegen. Auf keinen Fall sollte da der Minister eingreifen. Denn die Gruben werden ja nicht liefern, wenn sie kein Geld bekommen.

Bis vor zwei Jahren gab es die Kohlegemeinschaft, die Gewinne rentabler Gruben zur Finanzierung von Verlusten unrentabler benutzte. Heute haben wir die Kohleagentur, die nur Gruben mit niedrigen Förderkosten hilft...

...seit April hat der Staat ganz aufgehört, die Kohlebergwerke zu subventionieren. Sie sind jetzt nur noch abhängig vom Zloty-Kurs und eigenen Förderkosten. Die aber sind sehr unterschiedlich. So fördert die „Boleslaw- Smialy-Grube“ bei Jaworzno eine Tonne für umgerechnet 14,56 US-Dollar, die Grube „Viktoria“ in Walbrzych dagegen für 89,19 US-Dollar. Der Kohlepreis auf dem Weltmarkt bewegt sich zwischen 40 und 60 Dollar.

Da wird wohl bald aus dem Exportgiganten ein Kohleimportland?

Wir hatten früher durch unsere günstige Lage relativ niedrige Transportkosten. Durch die immer bessere Infrastruktur geht dieser Vorteil jetzt verloren. Schon heute würde es sich für die nördlichen Landesteile Polens lohnen, Kohle über Rotterdam statt aus Schlesien zu beziehen.

Aber da muß man doch am Zloty-Kurs drehen. Oder wie könnten die polnischen Gruben sonst ihre Förderkosten senken?

Konkurrenzfähigkeit beruht nicht auf dem Wechselkurs, sondern auf niedrigeren Kosten. Wir haben unsere Jahresförderung von 190 Millionen Tonnen im Jahr auf 140 Millionen heruntergefahren. Trotzdem wurde keine einzige Grube geschlossen. Logisch, daß das automatisch die Stückkosten in die Höhe treibt. Deshalb müssen die Gruben mit den höchsten Förderkosten geschlossen werden, solange, bis die anderen 100 Prozent ihrer Kapazitäten auslasten.

Wird die Wirtschaftsreform durch die Streiks zusätzlich verzögert?

Einerseits zeigen die Streiks, daß man in Polen offenbar kein Problem lösen kann, ohne ordentlich auf den Putz zu hauen. Andererseits gibt man in jedem zivilisierten Land der Regierung 100 Tage Zeit. Das hätten die Bergleute auch tun sollen. Die Erfolge in der Wirtschaftspolitik, geringere Inflation, volle Läden, konvertibler Zloty, sind alle Strohfeuer, wenn es uns nicht gelingt, die Industrie effektiver zu machen. Interview: Klaus Bachmann

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