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INTERVIEWEs geht jetzt um das Wie einer Intervention

■ Die grüne Europaabgeordnete Claudia Roth zur Frage einer Intervention im jugoslawischen Bürgerkrieg

taz: Claudia, Sie sind mit einer klaren, grünen, pazifistischen Position in das ehemalige Jugoslawien gefahren; zurückgekehrt sind Sie mit der Auffassung, zur Beendigung der Auseinandersetzung helfe möglicherweise nur eine internationale militärische Intervention?

Claudia Roth: Nein, so nicht. Die entscheidende Frage in allen unseren Diskussionen mit der Friedensbewegung dort war nicht das Ob, sondern das Wie einer Intervention. Die Position aller unserer GesprächspartnerInnen war, daß die Gewalt, das Morden, die Vertreibungen und die Welle des Nationalismus auf beiden Seiten beendet werden müssen. Man muß abwägen: einerseits die Konsequenzen eines militärischen Eingreifens, andererseits die Strukturen von Faschismus, die dort vorzufinden sind. Wie gehen Antimilitaristen, die zugleich Antifaschisten sind, damit um. Das ist die Frage nach dem Wie der Intervention: also wird jetzt eine kriegerische Auseinandersetzung gegen einen Staat geführt, oder versucht man Verbrecherbanden von Freischärlern und deren Hintermänner zu entwaffnen, zu ächten und als Kriegsverbrecher zu definieren. Was in einer solchen Situation notwendig wäre, ist doch eher ein polizeiliches Eingreifen gegen Verbrecher, als ein zurück zu den Mitteln einer militärischen Lösung.

Das klingt vielleicht weniger martialisch, aber da es im Lande niemanden gibt, der diese „polizeiliche“ Funktion ausüben könnte, liefe die von Ihnen beschriebene Aufgabe am Ende eben doch auf eine internationale Intervention mit militärischen Mitteln hinaus.

Es ist doch ein Unterschied, ob man sagt, man macht eine klassische militärische Intervention, oder man macht polizeiliche Verbrechensbekämpfung.

Wenn es die befriedenden Kräfte im Land selbst nicht gibt und wenn die Befriedung militärische Mittel erfordert, dann kommt man nicht darum herum, von einer militärischen Intervention zu reden. Deshalb erscheint Ihre jüngste Stellungnahme eben schon wie die beginnende Abkehr von einem prinzipiellen Pazifismus, der bislang bei den Grünen überwältigende Mehrheiten gefunden hat.

Ich bin in dieser Frage völlig zerrissen, aber ich glaube, daß man den Kampf gegen faschistische Strukturen nicht gewaltlos führen kann. Ich denke wirklich, daß die Elemente von Faschismus im ehemaligen Jugoslawien zu finden sind: die Internierungslager, die ethnische Reinigungsideologie auf beiden Seiten, die brutale, archaische Männergewalt, die dort zum Ausbruch kommt. Wir müssen die notwendigen Mittel, dagegen vorzugehen, sicher noch genauer definieren. Einer unserer Gesprächspartner hat gesagt: „Wenn dieser Alptraum jetzt nicht beendet wird, dann ist das das Ende von Humanität und Menschlichkeit.“ Ich glaube, das müssen wir sehr ernst nehmen. Keinesfalls aber darf es auf dem Spielfeld Jugoslawien einen Rückfall geben in die Logik klassischer militärischer Lösungen, keine militärische Renaissance in einer Zeit, in der eigentlich die Entmilitarisierung auf der politischen Tagesordnung steht.

Breiter grüner Parteikonsens war bislang die Ablehnung von Blauhelmeinsätzen. Wenn für Sie jetzt in bestimmten Fällen sogar eine Intervention denkbar wird, was heißt das für die deutsche Diskussion?

Was wir keinesfalls wollen, ist eine Funktionalisierung der Tragödie in Jugoslawien für die Forderung nach weltweiten militärischen Einsätzen der Bundeswehr. Daß wir denken, dort muß eingegriffen werden, heißt nicht, daß die Deutschen sich daran beteiligen müssen.

Für Jugoslawien ist das aus den bekannten historischen Gründen plausibel, selbst für Rühe und Kohl. Ansonsten aber ist das der klassische SPD-Konflikt. Man kann schwer begründen, warum man unter bestimmten Bedingungen eine gewaltsame internationale Intervention für das letzte, aber notwendige Mittel hält, an dem sich aber die Deutschen prinzipiell nicht beteiligen sollen.

Die Sonderposition der Deutschen hat mit der historischen deutschen Verantwortung zu tun. Ich finde das nicht inkonsequent.

Aber das, was Sie an neuen Positionen aus dem ehemaligen Jugoslawien mitbringen, bliebe dann für die Politik der Bundesrepublik folgenlos. Wir diskutieren dann immer nur über die Verantwortung, die andere Staaten in solchen Konflikten möglicherweise übernehmen müssen.

Wenn es in einem Land eine faschistische Entwicklung gibt, was bedeutet das dann für ein Land, in dem es Faschismus in seiner schlimmsten Form gegeben hat? Diese Diskussion will ich führen, nicht allerdings für Jugoslawien, da hielte ich jede deutsche Beteiligung für völlig ausgeschlossen. Interview: Matthias Geis

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