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INTERVIEW„Rhetorisch kann Stolpe seinen Fall nicht lösen“

■ Der Vorsitzende der Bundestags-Enquetekommission, Pfarrer Rainer Eppelmann, zum Fall IM „Sekretär“

taz: Herr Eppelmann, Manfred Stolpe hat die Vorwürfe gegen ihn wiederholt mit Stasi-Methoden verglichen. Jetzt spricht er sogar von Gestapo-Methoden. Dem Spiegel empfahl er die Lektüre des Handbuchs der Gestapo.

Eppelmann: Ich kann Manfred Stolpe hier nur schlecht folgen. Ich weiß, daß er Bilder liebt. Diese beiden Bilder — Stasi- oder Gestapo-Methoden — finde ich aber schlimm und ungerecht. Manfred Stolpe sollte sich nicht darauf verlegen, mit bösen Bildern andere verurteilen zu wollen; er sollte endlich das tun, was er seit vielen Monaten angekündigt hat: die kirchlichen Akten gegen die Staatsakten zu legen und damit deutlich machen, daß alles ganz anders war, als es in den Papieren von Staatssekretariat, Ost-CDU und Stasi behauptet wird. Rhetorisch läßt sich das Problem Stolpe auch für Manfred Stolpe nicht mehr lösen.

Sie selbst haben ihm vorgeworfen, er habe Sie an die Stasi verraten. Stolpe hält dagegen, er habe sich schützend vor Sie gestellt.

Ich kann mir vorstellen, das fast alles so stimmt, wie es Manfred Stolpe sagt. Wir müssen aufpassen, daß aus einem total positiven Bild über Stolpe jetzt nicht ein total negatives wird. Manfred Stolpe ist eine ungemein schillernde Figur, wie auch Wolfgang Schnur. Schnur war auch nicht nur ein Stasi-Offizier, der über viele seiner Freunde Berichte geschrieben und sie verraten hat. Er hat in vielen Fällen auch geholfen, was ihm ein Teil seiner Mandanten noch heute hoch anrechnet. Das gleiche gilt meines Erachtens für Manfred Stolpe. Aber dennoch hat er einzelne in die Pfanne gehauen. Wenn ich aus Protokollen lese, daß Kirchenleitung und Staatsführung, daß der Staatssekretär Klaus Gysi und Manfred Stolpe darin übereingestimmt haben, daß Eppelmann weg mußte — dann kann ich das nicht mehr als ein Bemühen um meine Sicherheit oder mein Weiterleben verstehen. Da habe ich den Eindruck, da hat mich einer in die Pfanne gehauen.

Nach den Akten des Untersuchungausschusses sollten sie gar nach Argentinien abberufen werden.

So ist es. Wenn ein Kirchenmann, der Vertreter des Bundes der evangelischen Kirchen der DDR, beim Rat der ökumenischen Kirchen in Genf mit dem Ziel verhandelt hat, daß ich in Argentinien eine Stelle bekomme, ohne daß vorher mit mir darüber geredet wurde, dann habe ich schon den Eindruck, daß dies in großer Übereinstimmung zu den Aussagen in den Akten steht: Kirchenleitung und Staat sind der Meinung, Eppelmann muß weg.

Stolpe weist diesen Vorwurf in das Reich der Fabeln zurück. Geht aus Ihren Akten hervor, daß Stolpe in diese Überlegungen involviert war?

Was den konkreten Vorgang angeht, nein. Aber da müßte man den OKR Linn (damals in Genf) befragen. Der wird ja nicht monatelang in trunkenem Zustand verhandelt haben, um mich dorthin zu kriegen. Er muß dafür einen kirchlichen Auftrag gehabt haben.

Manfred Stolpe verweist immer darauf, daß die Akten gefälscht sein könnten.

Ich kann anhand meiner Akten nur sagen, daß man sich zwar über die Wertungen streiten kann. Das, was in den Akten aber an Fakten berichtet wird, ist sehr genau und zutreffend.

Was empfiehlt der Pfarrer Eppelmann in dieser Situation dem Kirchenmann Stolpe?

Ich weiß nicht, ob man Manfred Stolpe noch etwas raten kann. Ich habe den Eindruck, er hat sich festgebissen. Er tut im Grunde das gleiche, was Wolfgang Schnur oder Ibrahim Böhme vorher getan haben. Er gibt nur scheibchenweise zu, was die Spatzen ohnehin seit Tagen vom Dach pfeifen. Vor Monaten habe ich schon gesagt: Manfred Stolpe, laß die Hosen runter. Dann hast Du noch eine Chance. Die Zeit ist inzwischen aber vorbei. Ich habe den Eindruck, daß das Mißtrauen gegen Stolpe so groß geworden ist, daß nur noch eine Generalbeichte helfen könnte. Was dies kirchenpolitisch oder politisch für Stolpe bedeuten würde, wird von dem abhängen, was er zu sagen hat. Ich kann ihm nur raten: Hören Sie endlich mit Ihrem Versteckspiel und dem Sich-nicht-erinnern-können auf. Interview: Wolfgang Gast

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