INSTALLATIONEN : Nur nicht reden
Der Oranienplatz ist voll mit Menschen, die alle eine Flasche Bier in der Hand haben oder ein Handy oder beides. Mit dem einen schützt man sich vor Dehydrierung, mit dem anderen sucht man Orientierung. Beides ist an diesem Abend wichtig, denn im Eckhaus, in dem früher ein Aldi drin war und jetzt zeitgenössische Kunst, machen extreme Temperaturen und hohe Luftfeuchtigkeit einen auf der Stelle mürbe, vor allem, wenn man, wie ich, zwanzig Päckchen Zucker schleppen muss. Denn ungefähr so viel sitzt mir auf den Schultern und speichelt mir auf die Platte. Ob Fup an Kunst interessiert ist, weiß ich nicht.
Feine silberverchromte Stelen mit roten Absperrseilen und ein paar fein livrierte Türsteher lenken die Besucherströme, aber das ist auch schon das Einzige, was Flair und Eleganz verbreitet. Immerhin steigern sie die Erwartung. Im riesigen Erdgeschoss sind etliche parallel ausgerichtete Reihen mit mindestens zehn Meter langen Kleiderhaken installiert, einrahmt von einem einfachen Holztresen. Die erste Installation sieht aus wie eine Garderobe, und es ist auch eine, wie ich enttäuscht feststellen muss.
In den übrigen Stockwerken laufen Videos ohne Handlung, sogenannte Videoinstallationen. Zu sehen sind u. a. Demonstranten, die in verschiedenen Sprachen Parolen rufen oder Hallelujah singen. Ein Beitrag zur Völkerverständigung? Ich frage Fup, aber er ist wie ein Orakel und antwortet nicht. Er kommentiert nicht einmal den nackten Mann, der aufgebahrt in einem Glaskasten liegt, während Menschen darum herum stehen und ihn betrachten. Wahrscheinlich schläft die Installation. Was soll sie auch sonst tun?
Wieder im Freien frage ich schweißgebadet einen berühmten Kurator aus Frankfurt, was so über die Ausstellung geredet wird. „Über Kunst wird nicht geredet“, sagt er. „Oh“, denke ich.
KLAUS BITTERMANN