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Archiv-Artikel

IN KOLUMBIEN SETZT PRÄSIDENT URIBE AUF REPRESSION – OHNE ERFOLG Mörderische Ernte

El Nogal war, wie man heute sagen würde, ein Wellnesszentrum, in dem sich die Wichtigen und Betuchten hinter einem scheinbar hermetischen Schutzschirm erholen konnten – samt Frauen, Kindern und Hausangestellten. Der mörderische Sprengstoffanschlag vom vergangenen Freitag hat eine klare Botschaft: Auch ihr könnt nirgends sicher sein! In seiner Symbolik erinnert er an die Attentate auf das World Trade Center, aber auch an Überfälle auf schwer bewaffnete jüdische Siedlungen im Palästinensergebiet. Wer immer dahinter stecken mag: die Drogenmafia, die Guerilla oder eine Kombination von beiden –, signalisiert wird, dass letzte Reste von humanitärer Rücksichtnahme in diesem Konflikt nicht zu erwarten sind.

Ähnlich wie bei der Terrorkampagne Pablo Escobars vor 15 Jahren werden die großen Städte und deren Bevölkerung zum Schauplatz des Krieges. Gerade für Bogotá, das in den letzten Jahren sicherer und freundlicher geworden ist, bedeutet die Autobombe eine Warnung, dass es jeden überall erwischen kann.

Präsident Álvaro Uribe wurde gewählt, weil er glaubwürdig eine Politik der harten Hand versprach. Wenige Tage nach der Wahl verhängte er den Ausnahmezustand und stellte einige Gebiete unter Militärverwaltung. Er schuf ein Netz von privaten Spitzeln, die für jede Denunziation bezahlt werden. Gleichzeitig wird eine Art Bauernmiliz aufgestellt, die in den Dörfern für eine ständige Militärpräsenz sorgen soll. Im ölreichen Bezirk Arauca, wo die größte Ölpipeline des Landes immer wieder Ziel von Anschlägen der Guerilla ist, wurden vor zwei Wochen 70 Spezialisten der US-Armee stationiert. Sie trainieren nicht nur kolumbianische Soldaten, sondern verhören auch Verdächtige. Uribe setzt damit auf Militarisierung und zunehmende Einbeziehung der USA in den Konflikt. Noch nie wurden Verdächtige so schnell an die US-Justiz ausgeliefert. Uribe erntet jetzt die Brutalisierung eines Konflikts, dessen tiefere Ursachen ignoriert werden. Und je brutaler der Krieg wird, desto mehr Zustimmung erfährt er von der empörten Bevölkerung. RALF LEONHARD